Papst fährt im Kleinwagen bei Obama vor

Washington · Fanfaren tönen, die Feierlichkeiten sind beispiellos. Erstmals steht Papst Franziskus neben Präsident Barack Obama im Weißen Haus, Zehntausende verfolgen den Festakt und jubeln. Doch die Botschaft der beiden ist eine ernste.

Washington. Es ist alles da, die Stars and Stripes, die historischen Uniformen, Dreispitz eingeschlossen, die Flötenklänge aus den Kriegen amerikanischer Rebellen gegen die britische Kolonialmacht, mit denen eine Kapelle über den Rasen marschiert. Das Weiße Haus hat alle protokollarischen Register gezogen. Vor 15 000 Gästen bekommt der Papst einen Empfang wie ein Staatsoberhaupt, um den sich das politische Washington gerade besonders bemüht. Umso schöner wirkt die kleine Geste der Bescheidenheit, die Franziskus dem Pomp entgegensetzt. Der Fiat 500, in dem er vorfährt, dürfte eines der schlichtesten Autos gewesen sein, das jemals von einer Blaulichtkolonne aus mächtigen Geländewagen und blankgewienerten Motorrädern zur Pennsylvania Avenue eskortiert wurde. Während die amerikanische Hymne gespielt wird, steht er mit gesenktem Kopf inmitten von Menschen, die sich die Hand aufs Herz legen und so stolz in die imaginäre Ferne blicken, dass allein schon der Anblick landestypische Selbstsicherheit symbolisiert. Was für ein Kontrast! Als der Pontifex schließlich an einem Pult steht, spricht er Englisch, ein Englisch mit starkem Akzent. Es ist eine Verbeugung vor den Gastgebern, für die er lange geübt haben dürfte.
Alles Nebensache. Ohne Umschweife widmet sich der Papst dem inhaltlichen Kern, nämlich zwei Themen, die hierzulande gerade die Debatte bestimmen: Einwanderung und Klimawandel. Als Sohn einer Immigrantenfamilie sei er froh, in einem Land zu sein, das maßgeblich von ebensolchen Familien aufgebaut wurde, erinnert er die Amerikaner an ihre Geschichte. Dann lobt er Obama für den bislang ehrgeizigsten Klimaplan der Administration, für das im August ausgegebene Ziel, die Treibhausgas-Emissionen einheimischer Kraftwerke bis 2030 gegenüber dem Stand des Jahres 2005 um 32 Prozent zu senken. Er finde die Initiative ermutigend. "Es scheint mir klar zu sein, dass der Klimawandel ein Problem ist, das man nicht länger einer künftigen Generation überlassen kann", sagt Franziskus und nimmt eine Anleihe bei Martin Luther King.
Der Bürgerrechtsprediger hatte sich 1963, in seiner legendären "I-Have-a-Dream"-Rede, der Metapher des nicht eingelösten Schuldscheins bedient, vom gebrochenen Verfassungsversprechen gleicher Rechte für alle, auf dessen Erfüllung die Afroamerikaner der Südstaaten damals noch immer warteten. Franziskus wandelt das Motiv auf den Klimaschutz ab. Man habe die Schuld noch nicht beglichen, nun aber sei es an der Zeit, betont er, bevor er sich mit seinem Gastgeber zu einem Vieraugengespräch im Oval Office zurückzieht und anschließend im Papamobil durch ein Spalier jubelnder Menschen fährt.
Extra

Der amerikanische Außenminister war eben erst in Berlin. Jetzt fahren Bundespräsident, Bundeskanzlerin und Bundesaußenminister in die USA. Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier sind bei den Vereinten Nationen in New York, Joachim Gauck auf großer Visite in Washington und Philadelphia. So viel Abstimmung zwischen der führenden Macht der internationalen Politik und Europas aktuell wohl wichtigstem Land ist selten. Fast zwei Jahre nach den ersten Meldungen über den Lauschangriff auf Merkels Handy durch den US-Geheimdienst NSA sind die Beziehungen wieder einigermaßen im Lot. Ausgestanden ist der NSA-Skandal aber noch nicht. Der groß angekündigte "Cyber-Dialog", den Deutschland über diese Angelegenheiten mit den USA führen wollte, hat bislang keinerlei konkrete Ergebnisse gebracht. In Washington will man nicht so recht. Berlin misstraut weiterhin. Den Auftakt für die deutsch-amerikanischen Wochen macht die Kanzlerin. Am Donnerstag fliegt Merkel zum neuen "Millenniums-Gipfel" mit mehr als Hundert anderen Staats- und Regierungschefs in die UN-Zentrale, zum ersten Mal seit 2010. Am Sonntag kommt der Außenminister nach. Auf der UN-Vollversammlung wird Steinmeier die Rede für die Bundesregierung halten. Protokollarischer Höhepunkt wird der dreitägige USA-Aufenthalt des Bundespräsidenten vom 5. bis 7. Oktober. Zum ersten Mal seit 18 Jahren ist ein deutsches Staatsoberhaupt im Weißen Haus. Anlass ist der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung. dpa

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