Papst lässt sich über Missbrauch informieren

Erstmals befasst sich jetzt der Papst direkt mit dem Missbrauchsskandal an katholischen Einrichtungen in Deutschland. Benedikt XVI. erwartet dazu an diesem Freitag den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, der das Oberhaupt aller Katholiken informieren soll.

Rom/Berlin/Bamberg. Im Vatikan trifft der Vorsitzende der deutschen Bischöfe, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, beim Thema Missbrauch auf sensible Ohren. Papst Benedikt hatte sich des Problems in den USA persönlich angenommen und dann auch die irischen Bischöfe wegen des dortigen Skandals nach Rom zitiert. Wiederholt geißelte das Kirchenoberhaupt Missbrauch als ein unerträgliches Verbrechen. Zollitsch will sich nach seiner Audienz beim Papst vor der Vatikan-Presse äußern. Unterdessen sind am Donnerstag weitere Missbrauchsfälle an kirchlichen Einrichtungen bekannt geworden.

An der evangelischen Internatsschule Schloss Gaienhofen am Bodensee wurden Kinder und Jugendliche in fünf Fällen sexuell missbraucht. Die Fälle lägen bis in die 60er Jahre zurück, teilte die Schulträgerin, die Evangelische Landeskirche Baden, am Donnerstag in Karlsruhe mit.

Auch bei der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart sind in den vergangenen Wochen mehrere Hinweise auf Missbrauchsfälle eingegangen, die laut Diözese ebenfalls viele Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen.

Auch an katholischen Schulen in Österreich und an der privaten Odenwaldschule in Hessen wurden am Donnerstag neue Fälle sexueller Gewalt an Jugendlichen bekannt. Internatsleiterin Margarita Kaufmann bat öffentlich um Vergebung. An der Odenwaldschule liege die Zahl der bekannten Fälle nun bei 33.

Am Donnerstag wurden zudem weitere Missbrauchsvorwürfe im Erzbistum Bamberg sowie im Bistum Osnabrück am ehemaligen Internat des Maristenklosters in Meppen bekannt. Dort sei es Ende der 60er Jahre zu sexuellen Übergriffen auf Minderjährige gekommen, teilte der Justiziar des Ordens mit.

Neue Vorwürfe gibt es auch gegen Erzieher aus der Vorschule der Regensburger Domspatzen: Ein heute 19-Jähriger berichtete über schikanöse Methoden gegen heimwehkranke Kinder.

Die Missbrauchsvorwürfe in Österreich erreichen nun auch die Wiener Sängerknaben: Zwei ehemalige Mitglieder des weltberühmten Chores erklärten, in den 60er beziehungsweise 80er Jahren sexuellen Übergriffen und Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein, berichtet die Zeitung "Der Standard" in ihrer Freitagsausgabe.

Der Kardinal und Wiener Erzbischof Christoph Schönborn forderte eine genaue Ursachenforschung für sexuellen Missbrauch und erwähnte in diesem Zusammenhang erstmals auch das Tabu-Thema Zölibat. Man müsse die Opfer vor die Täter stellen und Schuld beim Namen nennen, schrieb Schönborn in einem Kommentar für ein Mitarbeitermagazin der Kirche.

Es sei notwendig, nach den Ursachen sexuellen Missbrauchs zu fragen: "Dazu gehört die Frage der Priestererziehung genauso wie die Frage nach dem, was in der 68er-Generation mit der sexuellen Revolution geschehen ist. Dazu gehört das Thema Zölibat genauso wie das Thema Persönlichkeitsentwicklung." Schönborn stelle mit dieser Aussage aber in keiner Weise "den Zölibat in der katholischen Kirche des lateinischen Ritus infrage", betonte die Erzdiözese Wien in einer Reaktion nach der Veröffentlichung des Textes. extra Jugendgruppen bangen um Mitglieder: Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Trier befürchtet, dass wegen der jetzt bekannt werdenden Missbrauchsfälle kirchliche Jugendgruppen demnächst über Mitgliederschwund klagen werden. "Verunsicherte Eltern werden sich wohl zunehmend scheuen, ihre Kinder kirchlichen Gruppen anzuvertrauen", sagt der Trierer BDKJ-Diözesanvorsitzende Frank Kettern. Deshalb müssten die Missbrauchsfälle aufgeklärt und die Schuld der Täter festgestellt werden, so die Forderung der Dachorganisation von 15 katholischen Kinder- und Jugendverbänden. Eine formale Entschuldigung bei den Opfern reicht nach Ansicht des BDKJ-Vorsitzenden nicht aus. "Ob die Kirche wirklich erschüttert ist, erkennen wir daran, welche Wege der Klärung, Wiedergutmachung und Prävention sie wählt", sagt Kettern. (sey)

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