"Parteien müssen Linke herausfordern"

Der Göttinger Parteienforscher Franz Walter hält ein schwarz-grünes Regierungsbündnis in Hamburg für schwierig, aber machbar. Das machte Walter in einem Interview mit dem TV klar.

 Parteienforscher Franz Walter. Foto: dpa

Parteienforscher Franz Walter. Foto: dpa

Hamburg. (vet) Mit Professor Walter sprach am Wahlabend unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter. Herr Walter, die Linkspartei ist zum dritten Mal in Folge in ein westdeutsches Landesparlament eingezogen. Sind die Linken politisch etabliert?Walter: Zweifellos ja. Die Linken sind nunmehr in insgesamt zehn Länderparlamenten vertreten. Gemessen an den Mitgliedern sind sie die drittstärkste Partei. Kurzum, sie sind ein Faktor, der sich festigt und mit dem man umzugehen hat. Wie sollten die anderen Parteien mit den Linken umgehen?Walter: Auf jeden Fall sollten sie nicht so tun, als gehörten die Linken gar nicht ins Parlament hinein. Und speziell die SPD sollte nicht so tun, als habe sie ein Monopol auf das linke Spektrum im Parlamentarismus. Die Parteien müssen die Linke herausfordern. Das schließt auch Verhandlungen zur Regierungsbildung ein. So werden die Linken gezwungen, Farbe zu bekennen. Was bedeutet das für die politische Landschaft in Deutschland? Walter: Durch die Linken gibt es faktisch ein Patt zwischen dem klassischen altbürgerlichen Lager aus Union und FDP und dem anderen Lager. Entweder SPD und Grüne lösen das Patt auf, indem sie die Linken in ein gemeinsames Bündnis hineinholen. Oder das Patt wird dadurch aufgelöst, dass die Große Koalition im Bund weitermacht, wobei man sich dann aber nicht gegenseitig beschimpfen darf. Dritte Möglichkeit: Die FDP muss über ihren ideologischen Schatten springen und den Weg für Dreierbündnisse bereiten. Sie ist der Schwächefaktor im bürgerlichen Lager. Denn wenn die Union Verluste einfährt, kann die FDP das Defizit kaum kompensieren. Rechnerisch ist in Hamburg eine schwarz-grüne Koalition möglich. Halten Sie ein solches Bündnis politisch für machbar?Walter: Schon bei der Wahlprognose um 18 Uhr gingen zwei Balken nach unten: die von Union und Grünen. Insofern ist es schwierig, wenn zwei Verlierer zusammengehen. Gemessen an den Umfragen ist das schwarz-grüne Bündnis das unpopulärste in Hamburg. Selbst Rot-Rot-Grün ist da noch etwas beliebter. Insofern wäre das sicher nicht einfach für die Hansestadt. Andererseits sind die Chancen für die Premiere eines solchen Bündnisses aber auch noch nie so günstig gewesen wie in Hamburg. Und zwar schon deshalb, weil die Repräsentanten beider Parteien dort besonders umgänglich miteinander verkehren. Mit seinem rot-roten Kurs-Schwenk hat SPD-Chef Beck die Sozialdemokraten tief verunsichert. Können Sie Becks Sinneswandel nachvollziehen?Walter: Ja, denn irgendwas muss in Hessen passieren. Ansonsten wäre CDU-Regierungschef Koch weiter geschäftsführend im Amt. Mit einer Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken könnte Beck politisch dagegen angehen. Bislang war das nur eine arithmetische Mehrheit. Insofern war Becks Vorstoß nicht völlig unverständlich.Die Union droht sogar mit dem Koalitionsbruch in Berlin, sollte die SPD mit den Stimmen der Linken in Hessen an die Macht kommen. Nehmen Sie das ernst?Walter: Da ist viel Theaterdonner dabei. Wenn es jetzt zu Neuwahlen käme und SPD, Grüne und Linke mit Themen wie Mindestlohn, Managergehälter und sozialer Gerechtigkeit antreten würden, dann hätte die CDU mit Guido Westerwelle im Schlepptau kaum die Chance, eine Mehrheit zu bekommen.

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