Parteifreunde kritisieren Obamas Irak-Schlussstrich

Am Ende rückte das Versprechen des Wahlsiegers, den Krieg im Irak schnell zu beenden, in den Hintergrund. Zwar sollen innerhalb der nächsten 18 Monate rund 100 000 US-Soldaten zurückgerufen werden, doch zwischen 35 000 und 50 000 GIs - also ein Drittel der bisherigen Truppenstärke - werden für Sicherungs- und Ausbildungsaufgaben weiter im Zweistromland bleiben, vermutlich jedoch nicht länger als bis Ende 2011.

Washington. Ein noch unter George W. Bush ausgehandeltes Abkommen mit Bagdad verpflichtet die US-Regierung zu einem vollständigen Abzug zum 31. Dezember 2011, und dieser Vertrag soll offenbar nicht infrage gestellt oder neu verhandelt werden. "Unsere Kampfmission im Irak wird im August 2010 enden", verkündete Barack Obama gestern bei einem Auftritt vor Militärangehörigen in Camp Lejeune im Bundesstaat North Carolina. Von dort werden in Kürze rund 8000 "Marines" zu einem neuen Kampfauftrag aufbrechen - in Richtung Afghanistan.

Obamas gestrige Rede zog einen Schlussstrich unter die Spekulationen, wie der neue Präsident eines der heißesten Themen für die US-Bürger behandeln würde. Denn Umfragen zeigen immer wieder, dass eine klare Mehrheit der Amerikaner den nun sechs Jahre andauernden Irak-Feldzug, der bisher 4250 Soldaten und Zehntausende Zivilisten das Leben gekostet hat, für einen Fehler hält. Doch Barack Obama fand sich bereits am Vorabend seiner Camp-Lejeune-Rede in einer kuriosen Situation: Bei einem Hintergrundgespräch mit führenden Parteivertretern im Weißen Haus erhielt er ausgerechnet Lob von seinem einstigen Widersacher, dem Republikaner John McCain, und Kritik von seinen eigenen Parteifreunden.

Obama soll Zahl rechtfertigen



Während McCain Berichten zufolge den Abzugsplan Obamas als "gut vorbereitet" und "durchdacht" lobte und vor allem die enge Konsultation des Demokraten mit führenden US-Militärs würdigte, zeigten sich führende Kongresspolitiker wie der Senats-Mehrheitssprecher Harry Reid oder Repräsentantenhaus-Chefin Nancy Pelosi mit Blick auf die Wahlversprechen Obamas verstimmt. Die Zahl der im Irak bis Ende 2011 verbleibenden Soldaten sei zu hoch, bemängelte Pelosi, und auch Reid stieß in die gleiche Kerbe. Andere Demokraten wie der New Yorker Senator Charles Schumer verlangen nun: "Obama muss diese Zahl rechtfertigen".

Der Präsident nimmt mit seinem gestern vorgestellten Abzugskonzept auf die Wünsche der Generäle vor Ort Rücksicht, die sich mehr Flexibilität erbeten haben, damit die bisherigen Fortschritte bei der Sicherung des Landes nicht gefährdet werden. Armeevertreter hatten Obama in den vergangenen Wochen mehrere Szenarien vorgestellt, darunter Varianten für einen Abzug der derzeit 142 000 Mann umfassenden Truppen innerhalb von 16, 19 oder 23 Monaten nach Amtsübernahme. Der Präsident entschied sich für die 19-Monatsfrist.

Damit würde der Rückzug drei Monate später erfolgen, als Obama im Wahlkampf immer wieder zugesagt hatte, wobei er allerdings auch gelegentlich ergänzt hatte, er werde die Meinung von Experten vor einer endgültigen Entscheidung einholen.

Die Frage, ob es sich bei den maximal 50 000 dann verbleibenden Soldaten tatsächlich um "Nicht-Kampftruppen" handelt, ist umstritten.

Regierungsmitglieder machten gestern klar, dass Obama vor allem mit Blick auf die derzeit für Ende dieses Jahres angesetzten Wahlen im Irak noch eine starke Kampftruppenpräsenz wünscht. Gleichzeitig kündigte das Weiße Haus an, der neue Präsident werde die diplomatischen Aktivitäten mit den Nachbarn Iraks verstärken, um auch so eine weitere Beruhigung der Lage zu erreichen.

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