Pendlerpauschale soll CSU in Offensive bringen

Das passiert auch nicht alle Tage: "CSU-Chef greift linke Forderungen auf", überschrieb der Vorsitzende der Linken, Oskar Lafontaine, eine Pressemitteilung, in der er den bayerischen Vorstoß zur Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer "ausdrücklich" begrüßte. Auch die Liberalen gesellten sich zu dieser ungewöhnlichen Allianz: Breite Schichten der Bevölkerung brauchten "dringend eine Entlastung", um am Wirtschaftsaufschwung teilzuhaben, erklärte FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms.

Berlin. Bei den übrigen Parteien im Bundestag hielt sich die Begeisterung stark in Grenzen. Während die CDU zur Haushaltsdisziplin mahnte, sprach die SPD gar von "unerträglichem Populismus". Ähnlich reagierten die Grünen. "Das ist typisch CSU. In Bayern betreibt sie Sparpolitik. Und vom Bund verlangt sie, das Geld in Kübeln rauszuschmeißen", sagte ihr verkehrspolitischer Sprecher Winfried Hermann unserer Zeitung. Die Grünen seien schon lange dafür, die Pendlerpauschale "sozialverträglich abzuschmelzen". Das geltende Recht sei absurd und unökologisch. "Alle Kilometer müssen steuerrechtlich gleich behandelt werden", forderte Hermann. "Aber zu deutlich niedrigeren Konditionen als jetzt."Was die politischen Geister erneut elektrisiert, ist längst zum Fall für die Justiz geworden. Erst im Januar hatte der Bundesfinanzhof seine Zweifel an der Kürzung der Pendlerpauschale bekräftigt. Nun soll das Bundesverfassungsgericht endgültig entscheiden. Dabei ist absehbar, dass die geltende Regelung kaum Bestand haben dürfte. Seit dem Vorjahr haben Pendler mit kürzeren Fahrtstrecken zwischen Wohnung und Arbeit das Nachsehen. Die geltenden 30 Cent pro Kilometer sind nur noch ab dem 21. Kilometer steuerlich absetzbar. Bis Ende 2006 galt der Satz von 30 Cent schon ab dem ersten Kilometer. Die Änderung wurde mit dem sogenannten Werkstorprinzip begründet. Danach sind Fahrten zur Arbeit dem privaten Bereich zuzuordnen, während die Berufswelt erst am Werkstor beginnt. Gegen diese Auffassung ziehen nicht nur Juristen zu Felde. Auch Erwin Huber meinte, Fahrten zur Arbeit seien "keine Fahrten zum Golfplatz", weshalb das geltende Recht "lebensfremd" sei. Dass Bayern den Beschluss im Bundesrat mittrug und finanziell davon profitiert, ließ er unerwähnt.

Die Bundesregierung hält das geltende Recht weiter für verfassungskonform. Hinter den Kulissen wird aber eifrig gerechnet. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) pocht auf Ausgaben-Neutralität. Künftig könnten wieder alle Pendler von der Pauschale profitieren. Aber statt 30 Cent pro Entfernungskilometer wären nur etwa 15 machbar.

Ihren Forderungskatalog will die CSU in der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses von Union und SPD Ende April einbringen: Am 28. September wird im Freistaat gewählt.

Meinung

Zeit der Versprechen

Von Stefan Vetter

Die Not muss so groß sein bei der CSU, dass Parteichef Erwin Huber soziale Heilsversprechen in die Welt setzt, denen selbst die Linkspartei nur noch brav applaudieren kann. Die bayerische Staatspartei hat in letzter Zeit arge Probleme. Die Kommunalwahlen gingen daneben, das Rauchverbot ließ bayerische Stammtische erbeben, Eltern beklagen wegen des "Turbo-Abiturs" die Überlastung ihrer Kinder. Und im Herbst wird ein neuer Landtag bestimmt. Deshalb zieht Huber die populäre Karte. Die alte Pendlerpauschale, von Bayern mit abgeschafft, soll zu neuen Ehren kommen. So unsinnig die geltende Regelung auch sein mag, so durchsichtig ist das CSU-Unterfangen. Das ist Willkür nach Gutsherrenart. Dabei droht dem Land womöglich ein böses Erwachen. Am internationalen Finanzhimmel sind dunkle Wolken aufgezogen, die Deutschland schnell erreichen können. Die politisch herauf beschworenen Erwartungen würden dann umso stärker in Enttäuschung umschlagen. nachrichten.red@volksfreund.de

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