"Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb"

Hamburg · Auf ihrem Bundesparteitag haben sich die Grünen selbst gefeiert - und damit eine Auseinandersetzung mit strittigen Themen vermieden. Was bleibt ist das Zukunftsthema Landwirtschaft und eine auf Harmonie gepolte Partei.

Hamburg. Auf der Bühne stehen sechs Parteipromis und winken. Jeder hat einen Korb mit roten Äpfeln vor sich. Nach stundenlangen Antragsdebatten ist der Parteitag bei der "Inszenierung mit den grünen LandwirtschaftsministerInnen" angekommen. Das steht tatsächlich so im Ablaufplan für die Journalisten. Es ist ein friedfertiges Bild und ganz nach dem Geschmack der Delegierten. Denn die Landwirtschaft soll zum grünen Mega-Thema werden. Darauf hat Fraktionschef Toni Hofreiter das Parteivolk eingeschworen. "Die Agrarwende", sagt er, "hat ökologisch eine ähnliche Bedeutung wie sie die Energiewende hat". Hofreiter und die anderen trommeln gegen Massentierhaltung und für "ganz andere Tierstandards", gegen Antibiotika im Futter und für gesunde Lebensmittel. Da steigert sich der Beifall immer wieder zum Orkan. Da sind die Grünen ganz bei sich.
Der Programmpunkt soll auch dazu dienen, das lästige Image der Verbotspartei abzuschütteln, welches der Partei seit ihrer Forderung nach einem fleischfreien Kantinen-Tag im letzten Bundestagswahlkampf anhängt. "Ob jemand am Donnerstag Fleisch isst oder nicht, ist uns herzlich egal", heißt es im Beschlusspapier. Große Teile der Realos wollten noch eine viel umfänglichere Abrechnung mit der Vergangenheit. In einem Antrag forderte man deshalb eine stärkere Hinwendung zur Mitte, was wiederum den linken Parteiflügel erzürnte.
Bei der Abstimmung am ersten Beratungstag ist davon nichts mehr zu spüren. Zur Vermeidung einer offenen Konfrontation hat man sich auf einen "Versöhnungsantrag" voller Allgemeinplätze geeinigt. "Es gibt Reibungen", heißt es da. Aber nun gelte es, "den Blick nach vorne" zu werfen. Rätselraten auch, was künftige Koalitionen angeht: "Wir sind nicht rot-grün, nicht schwarz-grün, nicht neue FDP, sondern schlicht und einfach: Grüne".
Einige Delegierte sind davon wenig angetan. "Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb", spottet Jörg Rupp vom Kreisverband Karlsruhe. Der neue Antrag wende sich "gegen den Diskurs, den wir brauchen", schimpft der bayerische Landesvorsitzende Dieter Janecek. Doch der Parteitag ist auf Harmonie gepolt.
Beim Tagesordnungspunkt "Humane Flüchtlingspolitik" haben viele im Vorfeld geargwöhnt, hier könnte Baden-Württembergs grüner Regierungschef Winfried Kretschmann richtig Prügel beziehen. Sein "Ja" zum Asylkompromiss bei der Bundesrats-Abstimmung im September betrachteten viele Parteigänger als Verrat an grünen Idealen. Doch Kretschmann zieht alle Register, erklärt, dass man auch "substanzielle Verbesserungen" für hier lebende Flüchtlinge erreicht hat. "Als Ministerpräsident kann ich nicht auf Polarisierung gehen, ich brauche Konsens." Zum Finale des Parteitages wird es noch einmal richtig emotional. Wie immer, wenn es bei den Grünen um den Frieden in der Welt geht. Diesmal sorgen die deutschen Waffenlieferungen an die Kurden für Zündstoff. Parteichef Cem Özdemir sieht darin ein legitimes Mittel, um sich gegen den IS-Terror zu wehren. Die einstige Vorsitzende Claudia Roth sieht das anders und hält Özdemir vor, humanitäre Hilfen zu diskreditieren. Am Ende spricht sich der Parteitag gegen Waffenlieferungen aus. Nach Überzeugung von Bundesgeschäftsführer Michael Kellner haben die Grünen damit "Biss" gezeigt. Einen Apfel hat er in diesem Moment nicht bei sich.Extra

Die Grünen haben wegen ihrer Pädophilie-Beschlüsse aus den 80er Jahren um Entschuldigung gebeten. "Einvernehmliche Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern kann es nicht geben", heißt es in einem mit großer Mehrheit angenommenen Antrag. "Wir bitten deshalb alle Opfer sexuellen Missbrauchs um Entschuldigung." dpa

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