Ping-Pong mit Atomen

Berlin. Die schwarz-rote Koalition hat seit Tagen einen internen Streitpunkt: den Atomausstieg. Auch gestern wurden wieder reichlich energiepolitische Pfeile hin- und hergeschossen.

"Der deutsche Energieminister ist Michael Glos und niemand anderes", meinte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer bei der Klausurtagung seiner Partei in Wildbad Kreuth. Starker Tobak. Etwas später trat Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin vor die Presse, und danach wiederum dürfte Glos im fernen Bayern besonders hellhörig geworden sein. Denn sein Kabinettskollege schlug ebenso forsche Töne an: "Das Umweltministerium versteht sich zugleich als Wirtschaftsministerium", umschrieb Gabriel spitz die Ausrichtung seines Hauses. Auch das saß - Energiepolitik als großkoalitionäres Ping-Pong-Spiel. Geplänkel? Profilierung von "Neulingen" in ihrem Ressort, von Ministern im Anfangsstadium ihrer Amtszeit? Es geht um mehr - längst ist der entfachte Atomstreit innerhalb der großen Koalition zum ausgewachsenen Zoff um Zuständigkeiten geworden, um entscheidende Weichenstellungen für die künftige Energiepolitik. Und damit ist er zwangsläufig auch ein Streit um die Ausrichtung eines wichtigen Teils der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, wie Koalitionäre einräumen. An der Atomfrage zeigen sich die Risse

An der Atomfrage zeigen sich darüber hinaus die ideologischen Risse, die SPD und Union in der labilen großen Koalition trennen. Am liebsten würde die Kanzlerin deshalb das Thema von der Klausurtagung der Regierung Anfang nächster Woche fern halten. Ohnehin gibt es schon genug Zwist, der bei der Regierungklausur aufzulösen ist. Je lauter die Union nun aber brüllt, desto beharrlicher verteidigen die Genossen die rot-grüne Abkehr von der Kernkraft. Schließlich ist sie ein wichtiger, über Jahrzehnte erkämpfter Erfolg. "Ich habe nichts dagegen, dass Herr Glos öffentlich seine Privatmeinung zum Thema Kernenergie äußert", so Gabriel süffisant. Glos solle sich jedoch lieber um den Ausbau des Wettbewerbs auf dem Strommarkt kümmern, wenn er etwas zur Senkung der Energiekosten tun wolle. "Das ist die vordringlichste Aufgabe der deutschen Wirtschaftspolitik", schoss er als "guten" Rat hinterher. Schon unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit sei es verfehlt, auf Atomkraft zu setzen, weil Uran "ausgerechnet der Brennstoff ist, der die zeitlich am stärksten begrenzte Verfügbarkeit aufweist". Und bei dem Deutschland vollständig auf Importe angewiesen sei, ergänzte Gabriel. Mit Atomenergie lasse sich auch nur Strom und keine Wärme produzieren. Provokant fügte er noch hinzu: In den Genuss von mehr Wärme bei einem Ausbau der Kernkraftwerken kämen "nur die Fische in den Flüssen, in die das Kühlwasser eingeleitet wird."

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