Pinke Mützen und gequetschte Brüste

Berlin · Heute ist Internationaler Frauentag. Wie tickt der Zeitgeist gerade? Ein Überblick.

Sabine Bornemann hat mindestens viermal nachordern müssen. "Bei mir ist Pink ohne Ende!", sagt sie. Auf einmal war die Farbe in ihrem Berliner Woll-Laden knapp. Das liegt an den "pussy hats", den rosa Strickmützen mit Katzenohren, die Frauen zum Protest gegen Donald Trump tragen. Trump beschäftigt die ganze Welt, auch eine Wolle-Verkäuferin in Berlin. Der US-Präsident ist ein bekennender Chauvi, der Sprüche darüber machte, Frauen ungebeten an die "pussy", also in den Schritt, zu fassen. Trotzdem wurde er zum mächtigsten Mann der Welt gewählt, auch mit Millionen Stimmen von Frauen - mit 52 Prozent der Stimmen weißer Wählerinnen, um genau zu sein. Was dann wiederum Millionen Frauen auf die Straße trieb. In den USA und auch einige in Berlin, Köln und München.

Trump politisiert auch Frauen, die sich sonst nicht politisch outen, sagt die Wolle-Verkäuferin Bornemann. Sind ihre Nachbestellungen von pinken Knäuel ein kleines Zeichen für eine große Bewegung, einen neuen Feminismus, den Trump nun befeuert?

Alice Schwarzer, Deutschlands Ober-Feministin, spricht von der "allgegenwärtigen Existenz des Feminismus", die aber keine Bewegung im engeren Sinn mehr sei. Die Probleme der Frauen hätten zwar neue Formen, aber es seien im Grunde die alten. In Sachen Rollenverteilung etwa ist Deutschland nach wie vor altmodisch. Das Magazin Der Spiegel stellte ein "Comeback der Hausfrau" fest. Frauen mit Kindern sind hierzulande weniger berufstätig als in vielen anderen Ländern und überdurchschnittlich mit Haushalt und Betreuung beschäftigt.

Teilzeit und dem Mann den Rücken frei halten: Das kann Folgen für die Rente von Frauen haben. Auch, wenn Frauen alleinerziehend sind und nach der Zeit mit den Kindern nur schlecht wieder in den Beruf finden. Frauen sind in allen Altersstufen häufiger als Männer von Armut betroffen. Auch bei den Löhnen für gleiche Arbeit gibt es die hinlänglich bekannten Unterschiede, gegen die die große Koalition nun nach langem Streit ein Gesetz auf den Weg gebracht hat.

Wie tickt der Zeitgeist für Frauen am Internationalen Frauentag, dem 8. März, im Jahr 2017? Ja, Trump sei ein Weckruf und habe mit seinem "unglaublichen Sexismus und Rassismus" etwas ausgelöst. Das sagt Heike Pantelmann, Betriebswirtin und Ansprechpartnerin für Geschlechterfragen an der Freien Universität Berlin. Was Deutschland angeht, sieht Pantelmann viel "rhetorische Fassadenmalerei" - also viele schöne Worte bei wenig Bewegung. Die Familienpolitik etwa sei überhaupt nicht innovativ. Immerhin: Für ein heute zwölf Jahre altes Mädchen sei es völlig normal, dass eine Frau Deutschland regiere.

Auch das Fernsehen prägt, wie Frauen sich sehen und gesehen werden. Die Schauspielerin Brigitte Zeh ("Magda macht das schon") wird deutlich. Das Frauenbild im Fernsehen sei "irgendwie in den 50er Jahren hängengeblieben." Ein Muster sei "Gute Barbie, böse Barbie". Die böse Barbie verliere am Ende und habe meistens nur Macht, weil sie mit einem Mächtigen schlafe. "Die Frau darf viel seltener das Problem lösen, meistens ist sie für Emotionen und Tränen zuständig und schaut der agierenden Hauptperson sehnsüchtig hinterher."

Und dann ist da noch die Optik, sagt Zeh. "Brustnippel dürfen nicht durchschimmern, sehr wichtig ist aber das Dekolleté. Kleine Brüste werden selten in Szene gesetzt, sondern mit Hilfsmitteln maximal nach oben gequetscht." Thema Brüste: Ob Frau die zeigen darf oder nicht, ist auch im Frühjahr 2017 noch nicht geklärt. Emma Watson, bekennende Kämpferin für Gleichstellung, tut es in der Vanity Fair - und bekommt Ärger, das sei unfeministisch.

Zurück zu Trump, den auch Millionen Frauen gewählt haben. Warum nur? Alice Schwarzer hat eine Erklärung. "Es gibt auch Frauen, die erhoffen sich was von den guten alten Zeiten." Da sei eine gewisse Attraktion, erklärt sie: "Der Patriarch, der Papa, der sagt, mach' dir keine Sorgen, ich regel das schon." Die Frauen sollten mal "ein bisschen selbstkritisch reflektieren", was zurzeit wieder in Mode komme, nämlich ein gewisser "Charme der Gewalt".

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