Politik-Ersatz

Der Versuch, dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Bürger Genüge zu tun, treibt immer skurrilere Blüten. Die einen gründen Bürgerwehren auf dem flachen Land, die anderen wollen privates Sicherheitspersonal durch die Stadt flanieren lassen.

Da mochte der Innenminister wohl nicht nachstehen und rief den flächendeckenden Einsatz von Busfahrern, Taxi-Chauffeuren und Bahnschaffnern als Handy-gesteuerte Fahndungshilfstruppe aus. Weshalb ignoriert Schily, dass das Gros der Experten die Initiative für nutzlos hält? Warum stört es keinen, dass die Testphase weitgehend erfolglos verlief? Wieso trötet das Ministerium seine Absicht in die Öffentlichkeit, bevor die Abstimmungsgespräche mit den Ländern stattgefunden haben? Drei Fragen, eine Antwort: Weil es nicht um einen effektiven Nutzen geht, sondern um das Vortäuschen von Aktivität. Die Bürgerwehren, die City-Scouts, die Hilfsfahnder: Sie alle täuschen darüber hinweg, dass es ein qualifiziertes Sicherheitssystem nur mit einer funktionstüchtigen, gut besetzten und modern ausgestatteten Polizei gibt. Die aber kostet Geld. Und das passt nicht in die herrschende Ideologie der zu senkenden Staatsausgaben. Der Bürger will mehr Sicherheit (und natürlich auch bessere Schulen, Straßen, Schwimmbäder), aber auch niedrigere Steuern. Weil das nicht zusammen geht, gaukelt die Politik Strategien vor, hinter denen sich in Wirklichkeit blanke Ratlosigkeit verbirgt. Keine Frage: Der Rechtsstaat wird nicht zerbrechen, nur weil ein paar Fahndungsdaten auf Handys übertragen werden. Aber nützen wird das Brimborium aus dem Innenministerium genau so wenig. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt auch in Sachen Schily und Handy-Fahndung die alte Erkenntnis: Mancher Politiker-Satz ist unterm Strich nicht mehr als ein billiger Politik-Ersatz. d.lintz@volksfreund.de

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