Politisch unanständig

Man mag politisch zu Christoph Böhr stehen wie man will: Das Zur-Strecke-Bringen in Raten, das seine innerparteilichen Widersacher angezettelt haben, hat er nicht verdient. Böhr hat sich nicht nach der CDU-Macht in Rheinland-Pfalz gedrängt.

Als er in den Landtag einzog, hoch dekoriert als JU-Vordenker, stellte er sich brav in den hinteren Reihen an. Als ihn die Partei in höchster Not nach dem dreifachen Personaldebakel Wilhelm-Langen-Gerster an die Spitze rief, begrub er seine bundespolitischen Ambitionen und übernahm einen Job, von dem er sich keine kurzfristigen Erfolge versprechen durfte. Nun, da die kommenden Landtagswahlen wenigstens einen Zipfel der Chance auf Teilhabe an der Macht erkennen lassen, wird er in seiner Partei systematisch demontiert. Nun ist Politik, auch und gerade unter christlichen Demokraten, kein Geschäft, bei dem man Dankbarkeit erwarten kann. Viele in der CDU versprechen sich, vielleicht zu Recht, von einem Wechsel an der Spitze bessere Chancen auf die Ablösung der populären Kurt Beck. Aber für einen solchen Wechsel gibt es Kriterien des politischen Anstands. Wer Böhr für den falschen Spitzenmann hält, hätte schon lange mit offenem Visier eine Gegenkandidatur ankündigen und dem Parteivolk die Entscheidung überlassen können. Stattdessen wurde erst gestichelt und gewispert, dann geraunt und rumort, dann geboxt und getreten. Immer in der Hoffnung, wenn alles erst mal unten sei, werde ein Wechsel unvermeidlich werden. So was nannte man, die Älteren werden sich erinnern, zu Franz-Josef Strauß' Zeiten eine "Sonthofen-Strategie". Die moderne Variante stammt von der Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse: Andere sollen erst mal die Konkurrenz aus dem Weg räumen, dann kann über eine Kandidatur geredet werden. Die ganze unerfreuliche Debatte hat auch noch einen regionalen Aspekt. Geht Christoph Böhr, dann verschwindet wie bei der SPD auch bei der CDU der einzige einflussreiche Politiker aus der Region Trier. Denn die anderen Landespolitiker aus dem hiesigen Beritt gelten in Mainz durchweg nicht als die ganz großen Lichter. d.lintz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort