Prädikat "dramatisch"

Lerne jammern, ohne zu leiden - dieser Spruch wird gerne den Landwirten zugeschrieben, und jahrelang lag darin mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit. Doch das ist Vergangenheit. 20 Prozent Einkommensverluste in einer ohnehin schwer gebeutelten Branche: Was der gestern vorgelegte Agrarbericht ans Licht bringt, hat zweifellos das Prädikat "dramatisch" verdient. Und nicht nur der Blick zurück fällt düster aus, sondern auch der nach vorn. Denn der Tiefpunkt ist immer noch nicht in Sicht. Was können unsere Bauern dem Grundproblem entgegensetzen, dass ihre Kollegen in anderen Regionen deutlich billiger produzieren? Vor allem das: Produkte herstellen, für die höhere Preise gerechtfertigt sind - will heißen: auf Qualität setzen. Die Kunden zu bedienen, denen nicht egal ist, woher zum Beispiel ihr Steak stammt: ob das Rind sein Leben lang auf engstem Raum im Stall stand und zum Schlachten um die halbe Welt gekarrt wurde, oder ob es über Eifeler Wiesen getobt und beim Metzger im Nachbardorf gelandet ist. Selbst offensivste Vermarktung wird allerdings nur einen Teil der Verbraucher zum Kauf solcher Produkte bewegen. Landwirte müssen sich nach weiteren Einkommensquellen umsehen - in Bereichen wie Tourismus, Landschaftspflege und erneuerbare Energien. Nun wird‘s wieder pessimistisch: Denn selbst all das zusammengenommen kann nur einem Teil der Landwirte eine Perspektive bieten. Doch wer überhaupt eine Chance haben möchte, hat keine Alternative zu diesem Weg. Sich auf Gewohntes und Althergebrachtes zurückzuziehen, kommt für den Landwirt von heute einem Todesurteil gleich. i.kreutz@volksfreund.de

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