Pralle Euter, Preisverfall und protestierende Bauern: Landwirte demonstrieren vor EU-Kommission für flexible Milchquote

Brüssel · Europas Milchbauern haben wieder einmal Kummer: Weil die Exporte - unter anderem wegen der Sanktionspolitik in der Ukrainekrise - einbrechen und die Quotenregelung bald ausläuft, geht es mit den Milchpreisen bergab.

Kurz Kootz ist extra aus der Eifel angereist, um seinem Ärger Luft zu machen. Für jeden der rund 1800 Liter Milch, die seine 70 Kühe jeden Tag geben, bekommt er derzeit nur 31,5 Cent gezahlt. Zu Jahresbeginn waren es noch ungefähr 40 Cent. "Die Milchpreise befinden sich im freien Fall", sagte Romuald Schaber, der deutsche Präsident des Dachverbandes der europäischen Milchbauern, auf einer Demonstration vor dem Gebäude der EU-Kommission mit mehreren hundert Teilnehmern. "Und wir sind nach Brüssel gekommen, um die Politik wachzurütteln."

Grund ist vor allem das bereits vor mehreren Jahren beschlossene Ende der Milchquote mit festen Produktionsmengen zum 1. April kommenden Jahres. Im Hinblick auf die bevorstehende Liberalisierung hätten "viele Betriebe Gas gegeben, um am 1. April 2015 eine Art Pole Position innezuhaben", erklärt Landwirt Kootz.

Befeuert wurde die Produktionssteigerung - dieses Jahr sind 7,5 Millionen Tonnen und damit rund fünf Prozent zusätzlich auf den Markt gekommen - von der Ansage der Politik und der Milchindustrie, dass die globale Nachfrage speziell in Asien stark sei und Überschüsse leicht exportiert werden könnten. In der Praxis aber funktioniert das nur eingeschränkt. In der Bundesregierung, die den Wegfall der Quote verteidigt, wird vor allem "die kleinteilige Struktur der Branche", so ein EU-Diplomat, als Grund dafür gesehen, dass die Landwirte die Exportchancen nicht wie erwartet nutzen können: "Das ist eine Frage der Organisation", es gebe die Möglichkeit, Vermarktungsverbünde zu gründen.

Die Milchbauern fordern dagegen als Nachfolgeregelung eine Art flexible Quote, die sich an der Nachfrage orientiert.
Zusätzlich verschärft worden ist die Lage vor allem der osteuropäischen und finnischen Milchbauern durch die Gegenreaktion aus Moskau, nachdem die Europäische Union im Zuge der Ukrainekrise Wirtschaftssanktionen gegen Russland erlassen hatte. Seither dürfen nicht nur Europas Obst- und Gemüse-, sondern auch die Milchbauern den großen Nachbarn im Osten nicht mehr beliefern.Kritik an Wirtschaftssanktionen



So berichtete der litauische Verbandschef Jonas Vilionis auf der Demonstration, dass die Milchbauern in seinem Land ihre Milch nicht mehr absetzen könnten und "der Literpreis mit 21 Cent unter die Herstellungskosten gesunken" sei. Als Kritik an der Sanktionspolitik gegenüber Russland versenkten die Bauern in Brüssel Konterfeis von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande in einem Milchsee.

Am Montag kommen die EU-Agrarminister in Brüssel zusammen, um über Nothilfen für die von den Gegensanktionen betroffenen Milchbauern zu beraten. Möglicherweise das Auslaufen der Milchquote zu überdenken, steht jedoch nicht auf der Tagesordnung - auch wenn einzelne Mitgliedstaaten wie Frankreich darauf dringen.

Die EU-Kommission müsste dazu einen Gesetzesvorschlag unterbreiten, wofür es derzeit aber keine Anzeichen gibt. In diesem Fall, so haben die Landwirte angekündigt, wollen sie wiederkommen.

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