Problemfeld Gewalt

"2007 war das Jahr der Kommissionen", sagt Triers Polizeipräsident Manfred Bitter und erinnert an die Soko FH, die das weiterhin ungeklärte Verschwinden der Studentin Tanja Gräff untersuchte.

 Immer mehr Kinder werden zu Schlägern. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Immer mehr Kinder werden zu Schlägern. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Trier. Die Präsentation der Kriminalstatistik 2007 war auch ein Rückblick auf ein Jahr voller Ausnahmeerscheinungen im Polizeialltag. Der Fall Tanja Gräff - die junge Frau ist auf dem Sommerfest der Fachhochschule Trier am 7. Juni 2007 zum letzten Mal gesehen worden - erregte bundesweites Interesse und landete schließlich sogar in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst". Die 60 Beamte umfassende Sonderkommission prüfte mehr als 1100 Hinweise und ging 580 Spuren nach. Inzwischen setzt die 15 Mann starke Ermittlungs-Kommission FH die Suche fort.Suche nach dem Feuerteufel läuft weiter

Ein weiterer und ebenfalls noch offener Schwerpunkt der Polizeiarbeit in und um Trier ist der "Feuerteufel" in den Stadtteilen Tarforst und Kürenz. Seit 2003 zünden ein oder mehrere Täter geparkte Autos an. 16 Wagen brannten bisher. Die Arbeitsgruppe "Ignis", der lateinische Begriff für Feuer, überprüfte bisher 71 Hinweise. Die Suche geht weiter. Zu den Fällen, die aus dem Polizei-Alltag herausragen, gehörten auch der Tod eines viereinhalb Monate alten Jungen in Morbach (Kreis Bernkastel-Wittlich) im Februar 2007. Seine Mutter ertränkte ihn in der Badewanne, sie wurde im August zu neun Jahren Haft verurteilt. Eine brutale Vergewaltigung in Seiwerath (Eifelkreis Bitburg-Prüm) im Mai 2007 führte zur ersten DNA-Reihenuntersuchung. 620 Männer wurden aufgerufen, Speichel-Proben abzugeben, 366 haben es bisher getan.Mit einer Aufklärungsquote von 63,7 Prozent liegt die Leistungsbilanz der Beamten des Polizeipräsidiums Trier über dem Landesdurchschnitt von 61,4 Prozent, auch wenn die Rekord-Quote von 65,5 Prozent aus dem Jahr 2006 nicht erreicht wurde. "Dennoch ist der seit Jahren über 63 Prozent liegende Wert Beleg für die gute und engagierte Arbeit aller Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Trier", sagt Polizeipräsident Manfred Bitter.Zum ersten Mal seit Jahren ist die Zahl der Rohheitsdelikte gesunken. Damit sind Schlägereien, Überfälle und generell Körperverletzungen gemeint - Straftaten, die das Sicherheitsgefühl besonders beeinträchtigen. Diese Straftaten gingen um 139 Fälle oder 2,5 Prozent auf 5437 Fälle zurück. Die Zahl der Körperverletzungen nahm um 201 auf 4071 Fälle ab. 89,8 Prozent der Rohheitsdelikte wurden 2007 aufgeklärt, 2006 waren es 90,5 Prozent.Schnelligkeit soll Amtsdeutsch ersetzen

Besonders Kinder spielen bei diesen Rohheitsdelikten immer öfter mit. Die Gründung eines "Hauses des Jugendrechts" soll die Behörden von der Polizei bis zum Jugendamt in die Lage versetzen, schnell zu reagieren, wenn Kinder durch Brutalität auffallen. "Es soll eben nicht mehr so sein, dass ein jugendlicher Tatverdächtiger Wochen nach seiner Tat ein in für ihn unverständlichem Amtsdeutsch gehaltenes Schreiben erhält", sagt Triers Polizeipräsident. Das "Haus des Jugendrechts" setzt auf Schnelligkeit und Kommunikation.Die Zahl der Rauschgiftdelikte sank 2007 um 7,1 Prozent auf 2491 Fälle. Die Aufklärungsquote stieg um 1,2 Prozent auf 92,2 Prozent. "Der Rückgang der Fallzahlen bedeutet nicht, dass der Drogenmissbrauch tatsächlich rückläufig ist", betont Bitter. "Diese Zahlen sind stark abhängig vom Kontroll- und Ermittlungsdruck." Vier fragen an... Waldemar Vogelgesang, Soziologe an der Universität Trier: Ist die Jugend von heute gewaltbereiter als noch vor Jahren? Vogelgesang: Man kann nicht von einer Brutalisierung oder einer generellen Gewaltbereitschaft der Jugend sprechen. Auffällig ist, dass in bestimmten Jugendgruppen etwa in der rechten Szene und unter einigen Migranten die körperliche Gewalt deutlich zugenommen hat. Neigen Jugendliche in Gruppen eher zu Gewalttaten? Vogelgesang: Ja. Körperliche Gewalttaten von Jugendlichen werden in den allermeisten Fällen in und von Gruppen begangen. Durch Gewaltausübung verschaffen sich die Jugendlichen Respekt und Anerkennung innerhalb der Gruppe, aber auch nach außen, sozusagen als Revierabgrenzung gegenüber anderen. Gerade die 14- bis 17-Jährigen sind in einer sensiblen Phase der Identitätsentwicklung. Gewalt dient bei einigen von ihnen dazu, die eigene soziale Position, das Selbst, zu demonstrieren. Spielt die soziale Herkunft eine Rolle bei der Gewaltbereitschaft? Vogelgesang: Jugendliche aus sozial schwächeren Schichten sind bei der Gewaltbereitschaft deutlich überrepräsentiert. Diese Jugendlichen haben oft keine andere Möglichkeit, sich Anerkennung zu verschaffen. Brauchen wir härtere Strafen für gewaltbereite Jugendliche? Vogelgesang: Nein. Die vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten müssen ganz konsequent und vor allem zeitnah angewendet werden. Zwischen Tat und Strafe darf nur ein kurzer Zeitraum liegen. Das bringt mehr als härtere Strafen. Die Fragen stellte Bernd Wientjes

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