Produkt-Enttäuschung

Lauscht man den hilflosen Erklärungsversuchen der SPD für die anhaltende Stimmen-Schwindsucht, dann lässt sich immer wieder das Wort "Vermittlungsprobleme" heraushören. So, als sei der doofe Wähler einfach nicht in der Lage, die höhere Weisheit der Regierungspolitik zu erkennen.

Dabei übersehen die Genossen geflissentlich, dass die Wähler gar nicht die Bundesregierung abstrafen. Im Gegenteil: Der Juniorpartner prosperiert wie nie zuvor. Das Ziel des Zorns sind allein die Sozialdemokraten, und das zu begreifen, fällt ihnen schwer. Dabei ist es gar nicht so kompliziert. Die Wähler bestrafen das, was die moderne Marktforschung eine "Produkt-Enttäuschung" nennt. Wer sich für eine bestimmte Ware entscheidet, verbindet damit Erwartungshaltungen. Wer etwa CDU wählt, will Kontinuität und Sicherheit. Wer sein Kreuzchen bei der FDP macht, setzt auf Wirtschaftsfreundlichkeit und Markt-Orientierung. Und das Wähler-Potenzial der SPD erwartet von seiner Partei zumindest den Anschein sozialer Gerechtigkeit. Und diese Erwartungshaltung wird permanent enttäuscht. Meinungsumfragen zeigen, dass auch SPD-Wähler die Unvermeidbarkeit von Einschnitten in soziale Besitzstände kapiert haben. Aber sie begreifen es als Hauptaufgabe ihrer Partei, dafür zu sorgen, dass die Lasten entsprechend der Möglichkeiten verteilt werden. Praktisch formuliert: Sie ertragen mit Mühe, dass sie für Sozialabgeben stärker zur Kasse gebeten werden. Aber sie ertragen nicht, dass parallel der Spitzensteuersatz gesenkt wird. Noch deutlicher: Sie akzeptieren, dass Unternehmen entlastet werden. Aber sie akzeptieren nicht, dass Großkonzerne mit Hilfe von Gesetzen, die die SPD mitgetragen hat, ihre asozialen Spekulationsgeschäfte bei Firmenübernahmen vom Steuerzahler mitfinanzieren lassen. Die Grünen haben solche Probleme nicht. Ihre Wähler wollen eher Natur und Umwelt verteidigen als soziale Besitzstände - und ein bisschen Weltfrieden darf's auch noch sein. Und da bietet der kleine Regierungspartner dank Joschka und dem viel gescholtenen Öko-Fundi Trittin ziemlich genau das, was sein Wählerpotenzial wünscht. Die SPD aber muss es schaffen, die notwendige Modernisierung des Landes samt der anhängigen "Grausamkeiten" mit der Anmutung zu verbinden, dass der "kleine Mann" die Kosten nicht alleine trägt. Sonst geht sie als Partei und Bewegung unter. Wer Markt pur will, ist mit der FDP oder Maggie Merkel allemal besser bedient. Dafür braucht man keinen Gerhard Schröder. d.lintz@volksfreund.de

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