Propaganda-Offensive gegen die Kriegs-Zweifler
Salt Lake City. Die Kritik an US-Präsident George W. Bush wächst im eigenen Land. Viele direkt betroffene Angehörige protestieren gegen den Irak-Krieg.
Für US-Präsident George W. Bush ist die Rede vor gut 2000 Kriegsveteranen in der ehemaligen Olympiastadt Salt Lake City ein Heimspiel. Buhrufe, Protest-Plakate oder kritische Fragen - wie von den weiter vor seiner Ranch in Texas campierenden Friedens-Aktivisten - muss er hier im Saal nicht fürchten. Stattdessen gibt es stehende Ovationen, als er den in ihren Uniformen angetretenen Alt-Kämpfern eine neue Erklärungs-Variante für die Fortsetzung der Militärpräsenz im Irak präsentiert: "1864 Soldaten sind bislang dort gefallen. Wir schulden ihnen etwas. Wir werden die Aufgabe zu Ende führen, für die sie ihr Leben gegeben haben." Die Aufgabe - darunter versteht Bush, wie er wenig später ausführt, "im Kampf gegen die Terroristen in der Offensive zu bleiben". Und: "Den Krieg gegen den Terror zu gewinnen." Nur ein kleines Grüppchen von Demonstranten hat sich vor der Halle eingefunden, während sich Bush auf der Bühne mit einer an Patriotismus und Pathos nicht armen Ansprache auch gegen einen offenbar unaufhaltsamen Rutsch in der Beliebtheits-Skala stemmt. Nur noch 36 Prozent der US-Bürger, so hatten Demoskopen kurz vor dem Auftritt dem offiziell weiter urlaubenden Präsidenten mitgeteilt, seien mit seiner Amtsführung zufrieden. Und zu den Unzufriedenen zählt zweifelsohne auch die 58-jährige Celeste Zappala, die dem Präsidententross aus Texas nachgeflogen ist, um jetzt im Bundesstaat Utah ihrem Unmut Luft zu machen. Zappalas Sohn, ein Mitglied der amerikanischen Nationalgarde, war im vergangenen Jahr bei einem Einsatz im Irak getötet worden - während einer Mission, die dem Aufspüren der angeblich vorhandenen Massen-Vernichtungswaffen galt. Über ihren Schmerz rettet sich seine Mutter heute mit Spott und Ironie hinweg: "Wir alle wissen ja nun, dass die noblen Gründe, die uns Bush für den Krieg geliefert hat, bereits mehrfach gewechselt worden sind," bewertet sie die Aussagen des Präsidenten. Doch der gibt sich angesichts der zunehmenden Proteste, denen sich mittlerweile sogar führende Parteifreunde wie der republikanische Senator Chuck Hagel angeschlossen haben, weiter unbeirrt. Der Irak sei "eine zentrale Front" im Antiterror-Kampf, ein "lebenswichtiger Teil unserer Mission". Hagel hatte indes am Wochenende erstmals seit langer Zeit wieder das getan, was unter Republikanern seit Kriegsbeginn verpönt war - und das "V"-Wort benutzt. Die Entwicklung im Irak zeige deutliche Parallelen mit dem Vietnam-Debakel, so der Politiker, der selbst in Vietnam an der Front gestanden hatte. Hagels Senatskollege Russ Feingold, ein Demokrat, forderte unterdessen als erstes prominentes Kapitols-Mitglied, bis zum Dezember 2006 alle Truppen aus dem Irak abzuziehen. Grund genug für Bush, nach neun Tagen des Schweigens auf der Ranch nun zu einer dreitägigen Propaganda-Tour aufzubrechen, um für "seine Mission" zu werben.