Protestantischer Parteitag

TRIER. Mit großem Medienrummel begann gestern die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Trier. Bis Freitag tagen die Protestanten in der Europahalle.

 Im Blickpunkt der Medien: Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland stößt auf großes Medieninteresse. Der Eröffnungsgottesdienst in der Trierer Basilika wurde live im ZDF übertragen.Foto: Klaus Kimmling

Im Blickpunkt der Medien: Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland stößt auf großes Medieninteresse. Der Eröffnungsgottesdienst in der Trierer Basilika wurde live im ZDF übertragen.Foto: Klaus Kimmling

Fußball verbindet. Auch gläubige Protestanten. Ein Kicker schafft die Verbindung zwischen den evangelischen Männern und Frauen. Zumindest zwischen den Info-Ständen der Männerarbeit in der Evangelischen Kirche und der evangelischen Frauenarbeit. Ganz im Sinne der Gleichberechtigung stehen beide Institutionen im Foyer der Trierer Europahalle nebeneinander - getrennt eben nur durch den Kicker. Und an dem messen sich in der Mittagspause die evangelischen Frauen mit ihren Glaubensbrüdern, die sich (auch das ganz gleichberechtigt) unter anderem um die Themen Väter-Kinder-Arbeit und Erziehung kümmern. Die Protestanten haben die Europahalle in Beschlag genommen. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wählt hier ihren neuen Rat. Modernste Ausstellungstechnik zeichnet die überraschend vielfältigen evangelischen Publikationen und Pressedienste aus, die mit Laptop und Bildschirmpräsentationen werben. Altertümlich wirkt hingegen der den rund 150 Journalisten zugewiesene Arbeitsraum im Foyer. Manch ein Kollege traut seinen Augen nicht, als er auf den Tischen Arbeitsgeräte aus den frühen 90er- Jahren des vergangenen Jahrhunderts vorfindet: Elektronische Schreibmaschinen, die aber allesamt ausgeschaltet bleiben. Der Journalist von heute arbeitet mit Laptop und Handy, seine Texte sind schon in der Redaktion bevor der Redner die Bühne verlässt. Wann die Entscheidung fällt, weiß keiner

Ganz hinten am Notausgang fällt ein Info-Tisch der Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden nur durch seine regenbogenfarbene Pace-(Frieden)-Fahne auf. Ob denn diese Abseitslage symptomatisch für die Friedensarbeit in der Evangelische Kirche sei? Der Mann hinterm Tisch lächelt nur. Am Dienstag soll der Nachfolger für den scheidenden Ratsvorsitzenden Manfred Kock gekürt werden. Es kann aber auch Mittwoch werden, im Extremfall auch Donnerstag. Das wisse man bei den Protestanten nie so genau, wie viel Wahldurchgänge notwendig werden, meint ein Kenner der Gepflogenheiten. Nur am Donnerstag abend muss alles über die Bühne sein. Dann kommt nämlich der Bundespräsident, um den neuen Rat zu zu inthronisieren. Doch egal, wen man anspricht. Die Wahl stehe nicht im Mittelpunkt, heißt es immer wieder. Nicht die Nachfolge von Ratspräsident Manfred Kock, sondern die Bibel und deren "lebensnotwendige Bedeutung" (Kock) sei zentraler Diskussionspunkt der 120 Synodalen. Kock selbst hält sich vornehm zurück. Eine Empfehlung gebe er nicht, die Synode werde wahrscheinlich doch anders entscheiden, meint er. Barbara Rinke, Präses des höchsten Entscheidungsgremiums der evangelischen Kirche in Deutschland, erwartet "spannende Signale" von der Synode. Auch Kardinal Lehmann beteiligt sich nicht an den Spekulationen um die Kock-Nachfolge. Für ihn ändere sich auch mit einer Frau an der Spitze der evangelischen Kirche (als Favoritin für die Ratspräsidentschaft gilt die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann) nichts an den "gewachsenen Gemeinsamkeiten" zwischen den beiden großen Kirchen. Am Ausbau der Ökumene führe kein Weg vorbei, auch wenn es noch "viel Schutt und einige Steine" auf dem Weg gebe. Stellenweise erinnert die Eröffnung der Synode an einen Parteitag. Grußworte, Rechenschaftsbericht, Aussprachen, Wahlen - und im Mittelpunkt immer wieder der scheidende Ratsvorsitzende Kock, der nach seinem Bericht mit minutenlangem, stehendem Applaus der Synodalen geehrt wird. Doch noch einer steht an diesem Tag im Scheinwerferlicht: Bundesfinanzminister Hans Eichel. Wichtigste Frage der Journalisten an ihn: Wie geht es weiter mit der Rekordverschuldung? Eichel hat es nicht einfach, wenn er bei der Begrüßung von sozialer Gerechtigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und vom Verhindern von Altersarmut predigt. Schlagworte, die zwar die Befindlichkeit der versammelten Protestanten treffen. Doch so richtig glauben will ihm den Spagat zwischen notwendigen Reformen und gerechter Verteilung niemand. Allenfalls Anstandsapplaus gibt es für Eichel. Soziale Gerechtigkeit steht auch im Mittelpunkt des zuvor vom ZDF übertragenen Gottesdienstes aus der Basilika, deren Schlichtheit später von Präses Rinke hervorgehoben wird: "Da sieht man, mit wie wenig Kirche auskommen kann." Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, erinnert daran, dass bereits früher "Arme unterdrückt, Gerechte durch Macht und Korruption bedrängt und Elende zugrunde gerichtet" worden seien. Eins wird bereits an diesem Tag deutlich: Auch wenn laut Tagungsmotto die Bibel im Mittelpunkt stehen soll, wird es bei dieser Synode nicht theoretisch-theologisch zugehen. Kopftuch-Urteil, Embryonenforschung, Sozialreformen sind Themen auf der Tagesordnung.

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