Putin schenkt Überraschungsgast Assad kein Lächeln

Moskau · Für Wladimir Putin ist es schon zur Gewohnheit geworden. Der Kremlchef muss die Welt immer wieder überraschen. Gestern gelingt es ihm mit der Blitzvisite des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in Moskau.

Moskau. Am Dienstagabend muss der Syrer angereist sein. Als der Kreml das am nächsten Morgen kundtut, soll sich Assad schon wieder in Syrien befunden haben. Der russische Nachrichtensender Rossija24 zeigte zehn Minuten des sogenannten Arbeitstreffens. Noch zugegen waren Außenminister Sergej Lawrow und der noch viel wichtigere Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Später fand noch ein Treffen in größerem Kreis statt.Wenig Sympathien für Besucher



Angeblich ist Wladimir Putin der syrische Präsident nicht sonderlich sympathisch. Daraus macht Moskau auch keinen Hehl. Wladimir Putins Gesichtszüge zeigen denn auch nicht den Anflug eines Lächelns, als er Assad die Gründe des russischen Eingreifens in Syrien noch einmal darlegt. Gleich zu Anfang macht Putin klar, dass der Kreml den Syrer kurzfristig nach Moskau eingeladen hatte. Einbestellt wäre wohl treffender. Das Geheimnis, wie der syrische Diktator nach Russland gelangte, hat bislang niemand gelüftet. Vermutlich wurde er von der russischen Luftwaffenbasis in Latakia in die russische Hauptstadt geflogen.

"Das syrische Volk leistet fast allein Widerstand und kämpft seit einigen Jahren mit dem internationalen Terrorismus", sagt Putin. Erst in letzter Zeit gebe es positive Ergebnisse. Damit spielt der Kremlchef auf die Landgewinne der syrischen Armee an, seitdem Russland dem Verbündeten aus der Luft Schützenhilfe leistet. Für das heimische Publikum wiederholt Putin noch einmal den vermeintlichen Grund der Intervention: den Kampf gegen den Terror des IS, in dessen Reihen auch "Russen und Bürger ehemaliger Sowjetrepubliken" kämpfen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sie mit Kampferfahrung und ideologisch gestärkt nach Russland zurückkommen".
Entscheidender ist indes der vor allem fürs Ausland bestimmte Hinweis: Russland sei bereit, auch zu einer politischen Lösung des Konfliktes einen Beitrag zu leisten, "im Einklang mit den anderen Großmächten", so Putin.
Vielleicht wurden Rückzugsszenarien für Assad entworfen, die Moskau auf längere Sicht die jüngst erzielten taktischen Vorteile sichern könnten. Der Kreml ist darauf angewiesen, dass die herrschende Elite Syriens auch in einer neuen Regierungskonstellation tonangebend bleibt. Ansonsten wird Russland nicht nur Militärbasen verlieren. Auch die sunnitische Mehrheit in der Region dürfte sich gegen einen Verbleib Moskaus vor Ort verwahren. Nur ein militärischer Sieg kann es davor bewahren. Der ist aber - wenn überhaupt - nur durch Bodentruppen zu erringen, deren Einsatz der Kreml nach den Erfahrungen in Afghanistan bisher ablehnt. Hätte das Militär zu entscheiden, wäre die Infanterie schon ausgerückt, meinen Beobachter. Der Druck auf den Kreml soll wachsen.
Putins Strategie ist noch unklar: Er will die Welt zwingen, ihn als Gleichberechtigten wieder aufzunehmen. Dazu greift er zur Eskalation. Sanfteres Auftreten wird innenpolitisch bestraft. Dies trifft jedoch auf einen Westen, der russische Einschüchterungsversuche gelassener hinnimmt als noch vor einem Jahr.Das Kalkül geht nicht auf


Das Kreml-Kalkül, über Zuspitzung in die Führungsriege zurückzukehren, scheint momentan nicht aufzugehen. Es birgt zudem auch die Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen und Fakten zu schaffen, die nicht geplant waren. Der Kreml hat sich vertan. Wladimir Putins glänzende Siege sind langfristig Niederlagen. Sei es die vor eineinhalb Jahren aus Trotz verkündete Hinwendung nach China, die ruinöse Annexion der Krim oder das gescheiterte Projekt Neurussland in der Ukraine. Auch der Erfolg des Syrien-Unternehmens - Bomben für Assad - ist noch nicht sicher.Extra

Im Syrien-Konflikt planen die Außenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, nach Angaben aus Moskau ein Treffen an diesem Freitag in Wien. Das teilte das russische Außenministerium nach einem Telefonat der beiden Chefdiplomaten am Mittwoch mit. An den Gesprächen sollen demnach auch die Außenminister der Türkei und Saudi-Arabiens teilnehmen. Wie gestern weiter bekannt wurde, haben die USA und Russland direkte militärische Absprachen vereinbart, um Zwischenfälle im Luftraum über Syrien zu vermeiden. Dazu gehöre die Einigung auf einen "sicheren Abstand" zwischen Flugzeugen und Drohnen, sagte Pentagonsprecher Peter Cook. Eine von den USA geführte Koalition fliegt seit 2014 in Syrien Luftangriffe gegen die Terrormiliz IS. Russische Jets bombardierten auch am Mittwoch Ziele in Syrien. Sie hätten zuletzt mehr als 80 Objekte angegriffen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Dabei sei im Norden Syrien auch eine Stellung der Nusra-Front zerstört worden, eines syrischen Ablegers des Terrornetzwerks Al Kaida. dpa

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