Rabatt für Pillen

BERLIN. Kaum ein anderer Posten schlägt bei den gesetzlichen Krankenkassen so kräftig zu Buche wie die Arzneimittelversorgung. Deshalb kommen die Gesundheitsreformer an diesem Thema auf keinen Fall vorbei.

Allein zwischen 2000 und 2005 gingen die Ausgaben um 5,3 Milliarden auf 25,4 Milliarden Euro nach oben. Ein Grund für die rasante Entwicklung ist nach Einschätzung des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) das undurchsichtige Regulierungssystem im Arzneimittelsektor. In einer vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenen Studie fordern die Experten deshalb mehr Wettbewerb zwischen Kassen und Pharmaproduzenten. Der Versicherte müsste dann freilich auch mit der Tatsache leben, dass der Preis für das gleiche Medikament von Kasse zu Kasse unterschiedlich ist. Noch ist das allerdings Zukunftsmusik. Denn auch die Eckpunkte für die anstehende Gesundheitsreform schließen entsprechende Arzneimittelvergleichslisten aus. Im Grundsatz wird den Kassen zwar eine "Intensivierung des Wettbewerbs" versprochen. Bei Medikamenten gilt jedoch weiter die Vorgabe, wonach eine Kasse Rabatte mit Pharmaherstellern aushandeln kann, aber trotzdem jedes verordnungsfähige Mittel bezahlen muss. Das IGES-Institut schlägt nun vor, dass Kassen unter Berücksichtigung des gleichen Wirkstoffs und der gleichen therapeutischen Wirkung nur noch ein paar ausgewählte erstattungsfähige Medikamente im Angebot haben sollen. Andere Arzneien mit gleichen Eigenschaften würden nicht mehr bezahlt. Dadurch sollen die Pharmabetriebe zu höheren Preisnachlässen gezwungen werden. "Wenn eine Kasse zum Beispiel alle Medikamente im Bereich der Statine (Cholesterin-Senker) auf seiner Liste hat, dann wird der Rabatt nicht so hoch sein", erläuterte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Entwicklung im Gesundheitswesen, Eberhard Wille. "Wenn aber nur drei Medikamente auf der Liste sind, könnte es höhere Rabatte geben." Scheitert Forderung an Koalitions-Differenzen?

Bei den Krankenkassen teilt man diese Auffassung. Nach Darstellung des AOK-Bundesverbands haben die heute schon erlaubten Rabattverträge den entscheidenden Nachteil, dass die Kassen gegenüber den Pillenherstellern in einer schlechten Verhandlungsposition sind. "Wenn sie regelmäßig im gleichen Supermarkt einkaufen und darauf plötzlich einen Preisnachlass verlangen, wird man sie eher belächeln", erläuterte ein Kassenfunktionär. Bei ausgewählten Medikamenten könne der Hersteller dagegen eine bestimmte Absatzmenge kalkulieren. Dadurch vergrößere sich der Spielraum für den Preis. Gesundheitsstaatssekretär Theo Schröder betonte, die "Stoßrichtung" des Vorschlags für mehr Wettbewerb sei in den Reform-Eckpunkten enthalten. Ein kassen-spezifischer Ausschluss von Medikamenten aus dem Leistungskatalog stößt im Ministerium allerdings auf rechtliche Bedenken. Bei den Kassen vermutet man derweil, dass die konkrete Idee an politischen Differenzen in der großen Koalition gescheitert ist. Schließlich gehe sie zu Lasten der Pharma-Unternehmen. Der Gesundheitsexperte Eberhard Wille ist allerdings zuversichtlich: Nach allen Erfahrungen komme eine Gesundheitsreform im Rhythmus von etwa drei Jahren. "Ich wäre schon zufrieden, wenn unser Vorschlag dazu dient, sich künftig stärker mit dem Thema zu beschäftigen", meinte Wille. Die Kosten des Gutachtens wurden übrigens mit knapp 200 000 Euro angegeben.

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