Rassismuskritik an Frankreich trifft auch die Polizei und Politiker

Paris · Seit den Terroranschlägen von Paris sind islamfeindliche Angriffe in Frankreich angestiegen. Der Europa rat prangert die Gewalt an und warnt.

Paris. Jede Woche wird der Senegalese Youssouf in der Pariser Vorstadt Villepinte von der Polizei kontrolliert. Manchmal sogar mehrmals am Tag. "Immer, wenn wir ein Polizeiauto langsam vorbeifahren sehen, nehmen wir schon unsere Rucksäcke ab", sagt der 19-Jährige dem Radiosender RMC. Youssouf gehört zur Gruppe der schwarzen oder arabisch-stämmigen jungen Männer, die die französische Polizei besonders im Visier hat.
Eine Praxis, die der Anti-Rassismus-Ausschuss ECRI des Europarats am Dienstag kritisierte. Dieser empfiehlt den französischen Behörden, die Ausbildung der Ordnungskräfte beim Verhaltenskodex zu verbessern, um im Umgang mit der Bevölkerung beispielhaft zu sein", heißt es in Punkt 109 eines mehr als 40 Seiten langen Berichts zum Rassismus in Frankreich."Klima der Resignation"


Aber: Die Regierung setzt auf die Polizei, um mutmaßliche Attentäter aufzuspüren und will die umstrittenen Gesichtskontrollen noch ausweiten. Rassistisches Verhalten der Ordnungshüter scheint dabei kein Thema zu sein. Von einem "Klima der Resignation" nach den Attentaten spricht das Kollektiv "Stoppt die Gesichtskontrollen", das am Dienstag ebenfalls einen Bericht vorstellte. "Der Kampf gegen den Amtsmissbrauch der Polizisten ist obsolet", heißt es darin. Das diskriminierende Verhalten der Polizei ist nur ein Punkt, den die Experten des Europarats in Frankreich anprangern. Insgesamt habe rassistische Gewalt innerhalb von zwei Jahren um 14 Prozent zugenommen. Die Zahl antisemitischer Gewalttaten sei sogar um 36 Prozent gestiegen.Hitlersprüche und Nazivergleiche


Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, forderte die Politiker auf, ohnehin schon verwundbare Gruppen in ihren Reden nicht noch zu stigmatisieren. Dadurch verschärften sich nur die Spannungen in der Bevölkerung. Als Beispiel nannten die Experten den konservativen Abgeordneten Gilles Bourdouleix, der anlässlich der Besetzung eines Geländes durch das sogenannte fahrende Volk 2013 sagte: "Hitler hat vielleicht nicht genug von ihnen getötet." Bourdouleix wurde zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt, die das Kassationsgericht wieder aufhob, weil die Äußerung nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei.
Einen sofortigen Freispruch setzte die Chefin des rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, durch, die die Straßengebete der Muslime mit der Nazi-Besatzung Frankreichs verglichen hatte. Die Äußerung sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt, befand das Strafgericht von Lyon im Dezember. Trotzdem zitierte der Europarat den Vergleich als Beispiel dafür, dass die öffentlichen Reden in Frankreich islamfeindlicher werden. Auch die Entscheidung des Bürgermeisters von Chalon-sur-Saône, in den Schulkantinen für muslimische Kinder kein Menü ohne Schweinefleisch mehr anzubieten, falle in diese Kategorie. Sie könne eine "Quelle der Diskriminierung" sein. Die Zahl islamfeindlicher Taten hatte sich in Frankreich im vergangenen Jahr verdreifacht. Dazu gehörten Parolen, die auf muslimische Einrichtungen gesprüht wurden, ebenso wie Schweineköpfe, die vor Moscheen lagen.
Allein nach den Anschlägen am 13. November in Paris wurden vom Kollektiv gegen Islamophobie mehr als 200 islamfeindliche Übergriffe gezählt - ein Viertel davon waren Diskriminierungen.

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