Regierung will Strafen für säumige Krankenversicherte abmildern

Berlin · Säumige Beitragszahler in der Krankenversicherung können auf Entlastung hoffen. Das Bundeskabinett verabschiedete gestern einen Gesetzentwurf, der eine spürbare Senkung des Säumniszuschlags vorsieht.

Berlin. Ein gestern vom schwarz-gelben Kabinett verabschiedeter Gesetzentwurf sieht vor, dass für Privatversicherte ein so genannter Notlagentarif eingeführt wird. Der Bundesrat muss dem Gesetz zwar nicht zustimmen, mit seiner rot-grün dominierten Mehrheit könnte er es aber so lange verzögern, dass es nach der Bundestagswahl neu verhandelt werden müsste. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Wie viele Beitragssünder gibt es?
Das vermag die gesetzliche Krankenversicherung nicht genau zu beziffern. Die Krankenkasse Barmer GEK geht davon aus, dass 99 Prozent der rund 52 Millionen Kassenmitglieder ihre Beiträge pünktlich bezahlen. Trotzdem schlagen die Beitragsausfälle durchaus kräftig ins Kontor. Immerhin sind bei den gesetzlichen Kassen Beitragsrückstände in Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden Euro aufgelaufen. Rein rechnerisch steht jedes Kassenmitglied mit 87 Euro in der Kreide.

Woher rührt das Problem?
Seit Einführung der Versicherungspflicht im Jahr 2007 können die Kassen Beitragssündern praktisch nicht mehr kündigen. Das politische Ziel bestand darin, die steigende Zahl von nicht versicherten Personen einzudämmen. In den vergangenen fünf Jahren haben rund 189 000 zuvor unversicherte Menschen wieder einen Versicherungsschutz erlangt. Nach allen Erfahrungen gehören zumeist Selbstständige mit unsteten Einkommen zu den säumigen Zahlern.

Wie gehen die Krankenkassen derzeit mit den Schuldnern um?
Laut Gesetz ruhen ab einem zweimonatigen Beitragsrückstand die Versicherungsleistungen. Ausgenommen sind aber zum Beispiel akute Schmerzbehandlungen, Notfälle sowie Behandlungen bei Schwangerschaft. Häufig vereinbaren die Kassen mit den Schuldnern auch Ratenzahlungen. Gelingt dies im Einzelfall nicht, werden satte Säumniszuschläge auf die ausstehenden Beiträge fällig. Nach geltendem Recht sind es fünf Prozent pro Monat, also 60 Prozent im Jahr. Schon nach einem Jahr Beitragsschulden müsste ein gesetzlich versicherter Selbstständiger demnach 4249 Euro an die Kasse entrichten. Der darin enthaltene Säumniszuschlag beträgt 937,50 Euro. Die Wucherzinsen verschärfen also eher das Problem.

Was soll sich nun laut dem am Mittwoch verabschiedeten Gesetzentwurf des Bundeskabinetts konkret ändern?
Der Kabinettsentwurf sieht eine Absenkung der monatlichen Strafgebühr auf ein Prozent vor. Statt 60 Prozent pro Jahr wären es demnach nur noch zwölf Prozent. Die geltende Mehrbelastung sei "einfach zu viel", meinte Gesundheitsminister Daniel Bahr. Beitragssünder kämen so nie von ihren Schulden herunter.

Was ist für Privatversicherte geplant?
Für Privatversicherte ist ein "Notlagentarif" geplant, in den Beitragsschuldner nach zwei erfolglosen Mahnungen automatisch kommen sollen. Hier handelt es sich um eine Art Notfallversorgung. Der Preis soll nach Berechnungen der Assekuranzen 100 Euro im Monat nicht übersteigen. Auch die Privatkassen kämpfen seit der Einführung der Versicherungspflicht mit Zahlungsausfällen. Die Außenstände waren zuletzt auf 554 Millionen Euro beziffert worden. Von ihren rund zehn Millionen Versicherten gelten rund 150 000 als Beitragsschuldner.

Welche Reaktionen gibt es?
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen begrüßte den Gesetzesvorstoß. Auch die Privaten reagierten positiv. Derweil fürchtet die Opposition, dass Deutschland amerikanische Verhältnisse drohen, weil die Leistungen für säumige Privatversicherte stark eingeschränkt seien. Gesundheitsminister Bahr hält diese Kritik für unbegründet. Auch Privatversicherten werde es nun erleichtert, zu ihrem alten Versicherungsschutz zurückzukehren, sagte Bahr.

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