Rente mit 63 beliebter als gedacht

Berlin · Die abschlagfreie Rente mit 63 wird zumindest im ersten Jahr nach ihrer Einführung teurer als geplant. Nach Darstellung des Bundesarbeitsministeriums handelt es sich nur um marginale Veränderungen. Wahr ist allerdings, dass die im Gesetz enthaltenen Kosten von Anfang an eine Schönrechnung waren.

Berlin. Die abschlagfreie Rente mit 63 erfreut sich reger Beliebtheit. Das hatte die Deutsche Rentenversicherung schon in der vergangenen Woche mitgeteilt und dafür auch Zahlen geliefert. Demnach gingen allein bis Ende Oktober bereits 163 000 Anträge ein. Aktuell sind davon 110 000 bearbeitet und nahezu komplett bewilligt. Vier Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes ist das eine überraschend hohe Zahl. Jedenfalls gemessen an den Erwartungen der Bundesregierung.Verluste von 250 Millionen Euro



Im Bundesarbeitsministerium hatte man zwar mit maximal 200 000 Fällen gerechnet - allerdings für einen Zeitraum bis zur Mitte des nächsten Jahres. Später wurden die Fallzahlen auf 240 000 noch weiter nach oben korrigiert, weil man im Verlauf des Gesetzesverfahrens auch freiwillig Versicherte in die Verbesserungen einbezog. Macht zusätzlich 40 000 Personen.
Nach den Prognosen der Rentenversicherung summieren sich die Kosten für die abschlagfreie Rente mit 63 wegen der regen Nachfrage deshalb allein in diesem Jahr auf insgesamt knapp 1,5 Milliarden Euro. Im entsprechenden Gesetz sind aber nur 900 Millionen Euro ausgewiesen, also 600 Millionen weniger. Hier würden jedoch "Äpfel mit Birnen" verglichen, hieß es gestern in einer Stellungnahme des Arbeitsministeriums. Die 900 Millionen seien von Anfang an nur für die reinen Mehrausgaben bei den Renten veranschlagt gewesen. Hinzu kämen Beitragsausfälle durch den früheren Renteneintritt der 63-Jährigen, auf die im Gesetzentwurf "klar und deutlich" hingewiesen worden sei, so das Ministerium.
Merkwürdig allerdings, dass man dafür erst jetzt eine konkrete Zahl nachschob. Demnach gehen der Rentenkasse durch die früheren Renteneintritte 250 Millionen Euro an Beiträgen verloren.
Am Ende räumte das Ministerium auch ein, "dass es in diesem und im nächsten Jahr durch Vorzieheffekte in der Tat eine leicht erhöhte Zahl von Zugängen in die Rente mit 63 geben wird". Hintergrund: Die Regierung hatte die Zahl jener Interessenten unterschätzt, die zwar älter als 63 sind und die Anspruchsvoraussetzung von 45 Versicherungsjahren erfüllen, aber erst mit 65 abschlagfrei in Rente gegangen wären, wie es dem bislang geltenden Recht entsprach.
Nun ändern viele von ihnen offenbar ihre Lebensplanung und gehen wegen der Neuregelung doch sofort in den Ruhestand. Nach Einschätzung des Arbeitsministeriums handelt es sich aber um eine "sehr überschaubare Größe". Die Mehrkosten werden mit 100 Millionen Euro beziffert.
Der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth, ist skeptisch, ob es dabei bleibt. "Die Salamitaktik der Bundesregierung in der Rentenpolitik nimmt kein Ende. Die Wahrheit über die Kosten kommt nur scheibchenweise auf den Tisch", kritisierte Kurth gegenüber unserer Zeitung. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) müsse im Sozialausschuss des Bundestages dazu Rede und Antwort stehen, verlangte der Grünen-Politiker. "Der Verdacht besteht, dass die Regierung den Zuspruch für die abschlagfreie Rente mit 63 unterschätzt und die Kosten kleingerechnet hat."
Auch FDP-Generalsektretärin Nicola Beer warnte vor einem finanziellen Desaster. "Es war blauäugig anzunehmen, die Rente mit 63 würde nur von einem Bruchteil der Berechtigten in Anspruch genommen", meinte Beer.

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