Rettende Nische

TRIER. Die Bio-Branche boomt. Verfechter der ökologischen Landwirtschaft preisen die damit verbundenen Chancen für die Bauern der Region. Kritiker mahnen: Dieses Geschäftsfeld ist und bleibt eine Nische. Recht haben beide Seiten.

4,5 Prozent der Eier, die 2005 in Deutschland verkauft wurden, waren Öko-Eier. Die Verbraucher gaben dafür 9,4 Prozent der Gesamtsumme für Eier aus. Beim Gemüse waren es 3,8 der Ware gegenüber 5,8 Prozent des Geldes. Diese Zahlen der Wochenzeitung "Die Zeit" machen deutlich: Die Gewinnmargen in der Bio-Branche sind deutlich höher als bei konventionell erzeugten Lebensmitteln. Hier ist richtig Geld zu verdienen. Genau das ist der Grund, warum Billig-Supermärkte verstärkt auf Bio-Lebensmittel setzen.Fachläden melden Zuwächse

Diese Motivation der Discounter ist für Ulrike Höfken, Agrar-Expertin der Grünen, kein Problem. "Die Verbraucher werden an Bio-Produkte herangeführt. Das kommt der gesamten Branche zugute." Ihre Argumentation: Wer beim Discounter Bio-Ware schätzen lernt, geht auch mal in einen Naturkostladen, der eine sehr viel größere Produkt-Palette führt. Die Zahlen geben Höfken Recht: Bio-Fachläden melden ebenfalls Zuwächse. Was für die Discounter lukrativ ist, bietet auch der heimischen Landwirtschaft Perspektiven - davon ist die Grünen-Abgeordnete überzeugt. Die laufenden Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) zeigten, dass ein Abbau der EU-Agrar-Subventionen für konventionelle Landwirtschaft unumgänglich sei. Der Öko-Bereich werde derweil ausgenommen. Ohne Förderung seien die meist vergleichsweise kleinen konventionellen Betriebe in Rheinland-Pfalz auf dem Weltmarkt kaum konkurrenzfähig, sagt Höfken. "Bio-Landwirtschaft passt dagegen sehr gut zu unseren Strukturen." Die Grünen-Politikerin beklagt einen massiven Abbau der Unterstützung von Bio-Landwirtschaft. "Die Agrarwende wird rückgängig gemacht." Das lässt CDU-Agrar-Experte Peter Bleser nicht gelten: Es gebe keine Einschränkungen bei der Förderung, sagt er. Auch der Mainzer Wirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD) betonte dieser Tage: "Trotz des Rückgangs von EU-Fördermitteln wird die finanzielle Unterstützung der umweltschonenden Wirtschaftsweise in Rheinland-Pfalz auf hohem Niveau fortgesetzt." CDU-Politiker Bleser hält die Bio-Landwirtschaft für "eine interessante Branche", die Landwirten Alternativen bieten könne. Er warnt allerdings vor einem drohenden Preisdruck auch in dieser Sparte. Wenn das Angebot gewachsen sei, drückten die Discounter genau wie bei konventionell erzeugten Lebensmitteln die Preise, lautet seine Prognose. Bleser plädiert zudem dafür, die Größe der Branche nicht überzubewerten: "Wenn wir von einem Bio-Boom sprechen, müssen wir die niedrigen Ausgangszahlen sehen." Ein Argument, dass auch Leo Blum anführt. Der Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau warnt seine Mitglieder vor einer Öko-Euphorie: "Die Biolandwirtschaft wird eine Nische bleiben." Fakt ist: Der Bio-Anteil am Lebensmittelumsatz liegt laut Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG derzeit bei drei Prozent und wird sich bis 2010 verdoppeln. Ein Großteil der Landwirte wird sich also eine andere Überlebens-Strategie ausdenken müssen. Sicher ist aber auch: Einige werden es dank des Bio-Booms schaffen. "Wenn jemand auf uns zukommt, der nach der EU-Öko-Verordnung produzieren möchte, werden wir uns nicht verschließen", sagt Wolfgang Rommel, Pressechef der Milchunion Hocheifel (Muh), die vor fünf Jahren eine Bio-Sparte eingeführt hat. Derzeit produziert die Molkerei jährlich bei insgesamt 940 Millionen Litern Milch acht Millionen Liter Bio-Milch. Rommel spricht von kontinuierlichen Zuwächsen von zehn bis 20 Prozent pro Jahr. Ihre Bio-Milch bezieht die Muh von rund 30 Bio-Betrieben im Raum Kall und in Belgien. Aus der Region ist keiner dabei.

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