Rettung aus der Schweißdrüse

Deutschen Wissenschaftlern ist ein spektakulärer Erfolg in der Stammzellenforschung gelungen. Erstmals konnten Forscher der Universität Lübeck in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik in St. Ingbert (Saarland) Stammzellen aus den Drüsen von Menschen und Ratten gewinnen, die sich zu allen möglichen Zelltypen entwickeln können. Mit diesen so genannten adulten pluripotenten Stammzellen können nicht nur die ethischen Probleme im Zusammenhang mit der embryonalen Stammzellenforschung umgangen werden. Es steigen auch die Chancen, die regenerative Medizin zu revolutionieren. Die "bahnbrechenden Ergebnisse" wurden am Freitag in Berlin vorgestellt. Die wichtigste Person war bei der Präsentation nicht anwesend: Privatdozent Charli Kruse, der das Verfahren zur Stammzellen-Gewinnung mit seiner Lübecker Arbeitsgruppe entwickelt hat, wurde den Journalisten bewusst vorenthalten, "damit gewisse Dinge noch nicht an die Öffentlichkeit kommen", wie es geheimnisvoll hieß. Dem Vernehmen nach ist die Entwicklung weiter fortgeschritten, als man publik machen will. Der Direktor des Fraunhofer-Instituts, Professor Günter Fuhr, stellte die "außerordentlichen Forschungsergebnisse, die möglicherweise Auswirkungen auf uns alle haben", vor. Anders als bei der embryonalen Forschung werden adulte Stammzellen nicht aus menschlichen Embryonen gewonnen, was ethisch äußerst umstritten ist, sondern etwa aus dem Knochenmark des Menschen (oder Tieres). Mit der neuen Methode (Kruse-Verfahren) kann man nun auch Stammzellen aus Drüsen gewinnen, die in vielfacher Form beim Menschen existieren (Pankreas,Speichel- oder Schweißdrüsen) und - im Gegensatz zum Knochenmark - problemlos entnommen werden können. Sie sind zudem pluripotent, können sich also zu jedem beliebigen Zellgewebe entwickeln.Deutschland hat die Nase vorn

Ein weiterer Vorteil: Diese adulten pluripotenten Zellen können ohne Substanzverlust eingefroren werden. Daraus könnten sich ungeahnte Möglichkeiten ergeben, auf die Biomediziner in der ganzen Welt hoffen. Insbesondere bei bislang unheilbaren Krankheiten wie Diabetes, Parkinson oder Multiple Sklerose könnten Therapien entwickelt werden, die bislang nur in der Wunschvorstellung existieren. Zum Beispiel könnten defekte insulinproduzierende Zellen ersetzt werden. Zwar "sind wir erst am Anfang der Entwicklung", wie Fuhr sagte, aber der Weg sei nun vorgezeichnet. Durch diesen Erfolg erlangt die Bundesrepublik Deutschland nach Ansicht der Wissenschaftler eine "Schlüsselposition in der adulten Stammzellenforschung".

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