Revolution mit Bahnsteigkarte

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollte auf dem von ihm angeregten Weltfinanzgipfel, der am Wochenende in Washington stattfindet, ursprünglich nichts weniger als "den Kapitalismus neu begründen". Also eine Revolution. Angela Merkel war da von Anfang an vorsichtiger. Ein Mandat für weitere Verhandlungen solle herauskommen, und ein Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte, so zurückhaltend definierte die Kanzlerin die Ziele.

Washington. In Deutschland zieht man vor Revolutionen von jeher eine Bahnsteigkarte. Inzwischen hat Sarkozy von Merkel lernen müssen. Das Schlusskommuniqué für das Treffen steht schon weitgehend fest. Nach dem, was bisher bekannt geworden ist, beschreibt es noch keine konkreten Lösungen, um künftige Krisen zu verhindern. Sondern nur Grundsätze. Und einen Weg für die nächsten Verhandlungen: Auf der Ebene der Finanzminister soll an einem Aktionsplan gearbeitet werden, um sich dann im März noch einmal auf Spitzenebene zu treffen. Einen "evolutionären Prozess" nennt man das in Berlin. Und ist zufrieden.

Aber auch Merkel muss, wie die ganze EU, Verwässerungen hinnehmen. So taucht das Thema Vergütungssysteme der Manager in dem Papier dem Vernehmen nach nicht auf. Ebenso wenig die von der EU gewünschte Stärkung des Internationalen Währungsfonds als Kontrollbehörde. Aber immerhin soll es, war gestern aus Berliner Regierungskreisen zu erfahren, eine gemeinsame Analyse der Ursachen der Krise geben. Und die Absichtserklärung, dass die Finanzmärkte künftig transparenter gestaltet werden müssen, und zwar so, dass es künftig keine unbeobachteten Nischen mehr gibt. Nicht das Verbot von Finanzprodukten sei das Ziel, sondern ihre Kontrolle. Der moderne Finanzmarkt an sich müsse bleiben. Wer die Transparenz aber mit welchen Instrumenten herstellen soll, bleibt zunächst offen.

Bei den Gesprächen in der amerikanischen Hauptstadt werden 21 Staatschefs und ihre Finanzminister zugegen sein, die 85 Prozent des Weltsozialprodukts und zwei Drittel der Erdbevölkerung repräsentieren. Aber diese Gruppe ist höchst heterogen. Für Merkel ist es unter diesen Umständen schon ein Riesenfortschritt, wenn der Gipfel Themen, Eckpunkte und Zeitplan für die weiteren Verhandlungen benennt.

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