Richter erklären Praxis der NSA, systematisch Verbindungsdaten amerikanischer Telefonkunden zu speichern, für illegal

Washington · Die Bürgerrechtsliga ACLU spricht von einer Weichenstellung mit Folgen, einem triumphalen Sieg des Rechtsstaats über die Datenschnüffler. Mit einem einstimmigen Urteil haben drei Richter eines Berufungsgerichts die Praxis der NSA, systematisch die Verbindungsdaten amerikanischer Telefonkunden zu speichern, für illegal erklärt.

Berief sich die National Security Agency, Amerikas Abhörgeheimdienst, bislang stets auf den 2001 im "Krieg gegen den Terror" verabschiedeten Patriot Act mit seinem Schlüsselparagrafen 215, so entzieht ihr das New Yorker Bundesgericht de facto die juristische Grundlage.

Den Paragrafen so auszulegen, als rechtfertige er das massenhafte Sammeln von Metadaten, gehe eindeutig zu weit, schreibt Richter Gerard Lynch in der Urteilsbegründung. Nach derselben Logik könnte der Staat ja auch Aufzeichnungen zu Bankguthaben oder medizinischen Untersuchungen anhäufen. Dazu habe er aber kein Recht, es würde den Anspruch der Bürger auf ihre Privatsphäre auf nie dagewesene Weise einschränken. Ergo verstießen die NSA-Methoden gegen geltendes Recht. Gleichwohl, fügt Lynch hinzu, sei man sich im Klaren darüber, dass es in der Macht des Parlaments stehe, das Programm jederzeit zu verlängern.

Schon nächste Woche debattiert das Repräsentantenhaus über eine Novelle, nach deren Bestimmungen der Datenstaubsauger der NSA in manchen Details neu konstruiert werden soll. Bislang durften die Späher Angaben darüber, wer wann mit wem telefoniert und wie lange, lückenlos erfassen und fünf Jahre lang aufbewahren. Es war das erste Geheimprogramm, das der Whistleblower Edward Snowden enthüllte, als er nach Hongkong flog, um auszupacken. Und bis heute ist es dasjenige, das die Amerikaner am meisten empört, weitaus stärker als die Schnüffelei im Ausland, die viele eher mit einem Achselzucken hinnehmen.

Angesichts massiver Kritik lässt auch Barack Obama seit geraumer Zeit die Bereitschaft erkennen, hier und da an den Stellschrauben zu drehen. So sollen Verbindungsdaten zwar weiter gespeichert werden, aber nicht mehr auf den Rechnern der NSA, sondern nur noch auf denen der Telefongesellschaften. Während die meisten demokratischen Abgeordneten mehr oder weniger ihrem Präsidenten folgen, mahnen Bürgerrechtler kühnere Schritte an. "Im Lichte des Richterurteils wirken die bisherigen Reformblaupausen ausgesprochen blass", kritisiert ACLU-Direktor Anthony Romero. Republikanischen Hardlinern wiederum geht selbst die Minikorrektur zu weit. Angeführt von Mitch McConnell, dem Mehrheitsführer des Senats, hatten sie bereits im vergangenen Herbst jede Änderung blockiert, nicht zuletzt argumentierend mit der - Stichwort "Islamischer Staat" - gewachsenen Terrorgefahr.

Wohlgemerkt, dies geschah in einem Kongress, den die Konservativen vor ihrem Siegeszug bei der Wahl im November noch nicht so eindeutig beherrschten wie jetzt. Seitdem hat sich McConnells Position eher noch verhärtet. Der Politikveteran aus Kentucky macht keinen Hehl daraus, dass er den Paragrafen 215 für ein Erbstück der Ära George W. Bush hält, das es sich über die Zeit zu retten lohnt. Fällt bis zum 1. Juni keine Entscheidung, verliert der Passus automatisch seine Gültigkeit. Mit anderen Worten, ein frühsommerliches NSA-Drama auf Capitol Hill ist programmiert.

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