Ring-Liebhaber: Musikantenstadl statt Motorsport-Mythos

Die Bürgerinitiative "Rettet den Nürburgring" hat vor drei Jahren massive Bedenken gegen das neue Freizeit- und Geschäftszentrum geäußert und vor "Gigantomanie" gewarnt. Das sagte deren ehemaliger Vorsitzender als Zeuge im Untersuchungsausschuss.

Mainz. (fcg) Norbert Hanhart, 45, wohnhaft in Nürburg, bezeichnet sich selbst als Ring-Liebhaber. Deshalb seien er und zahlreiche andere Menschen aufgeschreckt gewesen, als sie Anfang 2007 von den Plänen an der Rennstrecke erfahren hätten. Sie recherchierten im Internet und erkundigten sich über jene Protagonisten, die den Nürburgring ausbauen wollten. Resultat: Anfang 2007 wurde die Bürgerinitiative (BI) "Rettet den Nürburgring" gegründet. Im März 2007 gingen binnen drei Tagen Schreiben an Ministerpräsident Kurt Beck und den damaligen Finanzminister und Aufsichtsratschef der Nürburgring GmbH, Ingolf Deubel. Die Verfasser äußerten massive Zweifel an den Besucherprognosen für das neue Freizeitzentrum, die sie für "völlig illusorisch" hielten, erzählt Hanhart im Ausschuss. Die Gutachter hätten ihre Schätzungen anhand von Verkehrszählungen am Ring erstellt und "zu unserem großen Erstaunen den Ring als Zentrum eines Ballungsraumes benannt". Bei den Prognosen habe es sich um "Taschenspielertricks" gehandelt. Antworten von Beck oder Deubel habe die BI nie bekommen. Mittlerweile sind die Zahlen von 500 000 auf 170 000 Besucher jährlich korrigiert worden.

Berufssoldat Hanhart wertet, die Befürchtungen hätten sich "eins zu eins bestätigt". Großartige Motorsport-Veranstaltungen wie die Super-Bike-WM oder das 1000-Kilometer-Rennen sollten gestrichen und durch einen "Musikantenstadl" ersetzt werden. "Das ist der Tod des Mythos Nürburgring."

Ex-Minister Ingolf Deubel sagt anschließend zum dritten Mal aus. Diesmal konzentriert er sich zunächst auf das Gutachten von Ernst&Young, das kürzlich mit der Aussage für Wirbel gesorgt hatte, Zahlungen an die Finanzvermittler Pinebeck seien am Aufsichtsrat vorbei geleistet worden (der TV berichtete). Deubel bezeichnet das als "Unfug". Das Gutachten sei ein "Partei-Gutachten" und "in dreifacher Hinsicht falsch".

Deubel verweist noch einmal auf einen Grundsatzbeschluss des Aufsichtsrates, mit dem die Geschäftsführung ermächtigt worden sei, die Privatfinanzierung voranzutreiben. Während die CDU von einem "Blankoscheck" für den ehemaligen Hauptgeschäftsführer Walter Kafitz spricht, weist Deubel dies zurück. Der Aufsichtsrat habe jederzeit kontrollieren können.

Pikant: SPD-Obmann Clemens Hoch zitiert aus einem Brief von Deubels Nachfolger Carsten Kühl, damals ebenfalls im Aufsichtsrat. Der beklagte sich im April 2009 bitterlich über die mangelhafte Zusammenarbeit und fehlende Informationen. Er warf Deubel vor, "dass Du diejenigen, die kritisch fragen und im Übrigen damit ihren Job machen wollen, einfach ignorierst und übergehst, weil es lästig ist". Deubel zeigt im Nachhinein Verständnis für Kühls Ärger. Damals hätten sich jedoch die Ereignisse überschlagen. "Das tut dem guten Verhältnis von Herrn Kühl und mir keinen Abbruch." V-MANN ALS ZEUGE Ein V-Mann des Bundes- und des Landeskriminalamtes, der im Mai 2009 in Zürich Ex-Finanzminister Ingolf Deubel bei einem Treffen mit Finanzvermittlern für den Ring gesehen haben will, kann laut Innenminister Karl Peter Bruch im Untersuchungsausschuss vernommen werden. Der Student und Unternehmer "aus dem Milieu" ist laut Bruch "entpflichtet" worden, also kein V-Mann mehr. Bruch rät zur Vorsicht, Spitzel seien schwer einzuschätzen. Deubel bestreitet, in Zürich gewesen zu sein. CDU und FDP wollen den Zeugen vorladen.(fcg)

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