Rotwein, Zigarren und Maulhelden

Die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke spaltet das Parlament. Mittlerweile ist der Streit zwischen Regierung und Opposition aber auch zu einem Duell zweier zentraler Figuren der beiden Lager geworden: Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) gegen Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne).

Berlin. Der eine will noch hoch hinaus, der andere fürchtet um sein Erbe, dass er sich in seiner Zeit als Minister von 1998 bis 2005 aufgebaut hat. Anfänglich waren Norbert Röttgen und Jürgen Trittin politisch nicht weit auseinander. Einmal im Amt, machte sich Angela Merkels Umweltminister wenig Freunde in der schwarz-gelben Koalition, weil er in der Energie- und Umweltpolitik einen deutlich grüneren Kurs einschlug. Auch in der Frage der AKW-Laufzeiten. Das kam an bei Trittin. Doch inzwischen ist Röttgen beigedreht (worden). Im Parlament präsentierte er sich daher gestern bei der ersten Lesung der schwarz-gelben Gesetzespläne als scharfzüngiger Verfechter des Atom-deals mit der Wirtschaft und des neuen Energiekonzepts der Koalition. Ein "Meilenstein", meint Röttgen. Trittin konterte: Nichts anderes als das "Geschäftsmodell" der vier Atomkraftwerksbetreiber sei das Vorhaben.

Wer beide im Parlament beobachtet, merkt schnell, das Verhältnis ist inzwischen - gelinde gesagt - angespannt. Trittin reagiert auf die Reden des CDU-Mannes gern mit höhnischen Zwischenrufen und süffisantem Lächeln. Röttgen schüttelt meist fleißig den Kopf und grinst bemitleidend, wenn der Grüne spricht. Im verbalen Umgang miteinander gilt derzeit das Motto: Feuer frei. Während der Generaldebatte des Bundestages Mitte September rief Trittin, Vater des Atomausstiegs und in Sorge um seinen Nachlass, Röttgen den bitterbösen, belehrenden Satz zu: "Nie darf ein Umweltminister so tief sinken, dass er den Kakao auch noch genüsslich schlabbert, durch den ihn Herr Brüderle zieht. Das machen Sie gerade." Röttgen war wie vom Donner gerührt. Seitdem hat er den Fehdehandschuh aufgenommen, den Trittin ihm hingeworfen hat.

Gestern war der Tag, an dem Röttgen dem Grünen die nicht vergessene Demütigung heimzahlte: Trittin sei ein "Maulheld". Er könne gut reden, "aber Sie kriegen nichts hin." Der grüne Fraktionschef habe in seiner Zeit als Umweltminister beim rot-grünen Atom-Ausstieg selbst in "Rotwein- und Zigarrenrunden" mit den Konzernen die Sicherheit der AKW "verdealt", erregte sich Röttgen. Mit Kampfrhetorik und Falschbehauptungen verunsichere er jetzt die Bevölkerung: "Herr Trittin, lassen Sie das sein!" Das waren volle Breitseiten - auch im eigenen Interesse. Röttgen muss punkten. Er will Ende Oktober in einer Mitgliederbefragung den CDU-Vorsitz im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen erobern. Sollte das gelingen, wäre seine Niederlage im Atom-Streit fast vergessen. Und er wäre zurück in der Rolle des Hoffnungsträgers, des möglichen Merkel-Nachfolgers. Extra Die Untersuchungen für ein Atomendlager im Salzstock Gorleben sind nach zehn Jahren Unterbrechung wieder angelaufen. Die Atomwirtschaft hat bisher rund 1,5 Milliarden Euro in die rund 30 Jahre andauernde Prüfung Gorlebens investiert und hält den Standort für geeignet. Umweltschützer warnen vor unkalkulierbaren Risiken und wollen am Samstag dagegen protestieren.

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