Ruhe an der Front

Berlin · Die Luft ist raus: Während Grüne, SPD und Linke nach Norbert Röttgens Rauswurf die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung infrage stellen, ignoriert die schwarz-gelbe Koalition die Umstände von Röttgens Ausscheiden.

Berlin. Es hat den Anschein eines kleinen Krisengipfels, was kurz vor Beginn der Aktuellen Stunde zum Rauswurf von Norbert Röttgen aus der Regierung zu beobachten ist: In der letzten Reihe des Parlaments stecken die wichtigsten CDU-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen die Köpfe zusammen: Wirtschafts-Staatssekretär Peter Hintze, Gesundheitsexperte Jens Spahn, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Umwelt-Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser kommt hinzu. Vier Unionspolitiker mit wichtigen Posten und Einfluss, die heftig diskutieren. Einer fehlt: NRW-Wahlverlierer Röttgen. Dem ist beides abhanden gekommen. Er hat vorher den Bundestag verlassen.
Diskussion im Keim erstickt


Es gibt einiges zu besprechen. Die Opposition in Berlin wird nicht müde zu streuen, dass noch Zunder in der Unionsfraktion ist, weil sich Röttgens NRW-Getreue mit der Art seiner Minister-Demontage nicht abfinden wollen. Die Wahrheit ist aber: Die Luft ist raus. Und wenn es noch Unmut bei den Nordrhein-Westfalen gibt, richtet der sich jetzt offenbar gegen den eigenen Landesverband, weil dort nach Auffassung einiger Parlamentarier ziemlich ungestüm die Führungsfragen entschieden werden.
CDU-Chefin Angela Merkel kommt es sicher zupass, dass sich die Blicke wieder mehr gen Düsseldorf richten. Die Kanzlerin will Ruhe an der Berliner Front. Insofern wird die Aktuelle Stunde auch zu einem kleinen parlamentarischen Lehrstück darüber, wie man eine Diskussion im Keim ersticken kann, die die Opposition unbedingt führen will. "Entlassung des Bundesumweltministers und Handlungsfähigkeit der Bundesregierung", heißt die Debatte, die die Grünen auf die Tagesordnung gehievt haben. Die Kanzlerin selbst ist nicht anwesend, genauso wenig wie der am Morgen frisch vereidigte neue Umweltminister Peter Altmaier (CDU). Auch kein anderer Ressortchef lässt sich blicken. Die Polit-Promis auf der Regierungsbank würden die Aussprache nur unnötig aufwerten.
Einzig die Grünen schicken eine richtige Spitzenkraft ins Rennen um die Deutungshoheit der Ereignisse aus der vergangenen Woche - Fraktionschef Jürgen Trittin. Der strampelt sich ab, spricht davon, dass Röttgen für Merkel "geopfert" worden sei angesichts der elften CDU-Wahlniederlage in Folge. Fast jedem Minister fehle es an Autorität, und auch auf die Kanzlerin höre niemand mehr in den eigenen Reihen. Ähnlich sind die Töne der Redner von SPD und Linke, die der Koalition zugleich Versagen bei der Energiewende vorwerfen.
Ab und an wird es hitzig, doch bei Union und FDP lässt man sich nicht beirren. Die Umstände der Entlassung Röttgens werden stur ignoriert, die Handlungsfähigkeit der Regierung sei gegeben, die Energiewende komme voran. "Dem Land geht es gut", beendet der aus Trier stammende Unionsparlaments-Geschäftsführer Bernhard Kaster quasi folgerichtig die Auseinandersetzung im Bundestag. Ex-Minister Röttgen ist endgültig Geschichte.
Extra

Peter Altmaier (CDU, Foto: dpa) hat am Donnerstag im Bundestag seinen Amtseid als neuer Bundesumweltminister abgelegt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wünschte ihm für das Amt alles Gute, Erfolg, solide Nerven und Gottes Segen. "Das werde ich brauchen können", sagte Altmaier. Die Eidesformel sprach er mit dem Zusatz "So wahr mir Gott helfe". Der 53-Jährige tritt die Nachfolge von Norbert Röttgen an, der von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der CDU-Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen entlassen worden war. Offiziell ernannt wurde Altmaier am Dienstag von Bundespräsident Joachim Gauck. Der neue Minister will auf Wirtschaft wie Umweltverbände zugehen und strebt einen nationalen Konsens bei der Energiewende an. Norbert Röttgens Nachfolger als Parteivorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen soll Armin Laschet werden, der bisher Partei- und Fraktionsvize ist. Karl-Josef Laumann ist weiterhin als Chef der Landtagsfraktion vorgesehen. Das bestätigten Fraktions- und Parteikreise am Donnerstag in Düsseldorf. Laschet und Laumann selbst äußerten sich zunächst nicht. dpa

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