Ruhig Blut!

Die Situation ist absurd: Ein Versandhandel mit Medikamenten ist in Deutschland verboten, doch jeder Bundesbürger kann seine Arzneimittel im Internet bestellen - bei ausländischen Anbietern. Ein unhaltbarer Zustand? Das finden jedenfalls die Initiatoren der Gesundheitsreform und plädieren für eine Freigabe des Handels. Während die Apotheker-Lobby im vergangenen Jahr 7,7 Millionen Unterschriften gegen diese Pläne sammelte, gründete eine Handvoll innovativer Pharmazeuten den Bundesverband Deutscher VersandapothekerInnen. Seine Position: Es sei nicht einzusehen, dass deutsche Verbraucher ihre Pillen legal über den EU-Binnenmarkt beziehen könnten, ohne dass deutsche Apotheker sich an diesem Wettbewerb beteiligen dürften. Diese Vorreiter haben die Zeichen der Zeit erkannt: Der Versandhandel mit Medikamenten wird auch in Deutschland kommen. Und das ist durchaus zu begrüßen. Patienten sollen selbst entscheiden, wo sie ihre Medikamente kaufen, ob ihnen ein günstiger Preis oder eine umfassende Beratung wichtiger ist. Das Mitleid mit den Apothekern kann sich in Grenzen halten: Ihnen allen steht schließlich die Option offen, ins Internet-Geschäft einzusteigen. Und wenn die Branche tatsächlich, wie ihr rheinland-pfälzischer Präsident fordert, künftig die Beratung stärker in den Fokus nimmt, stellt sich die Frage: Was wollen wir Verbraucher mehr? Im übrigen verspricht ein solches Vorgehen auch den Apothekern Erfolg. Denn eine Emnid-Studie ergab kürzlich, dass den Bundesbürgern Beratung so wichtig ist, dass 89 Prozent von ihnen selbst freiverkäufliche Arzneimittel bevorzugt in der Apotheke kaufen. Sollte es für den einen oder anderen Pharmazeuten künftig dennoch eng werden, darf man das in Ballungsräumen unter dem Kapitel Strukturwandel abhaken. Etwas anders sieht es auf dem Land aus. Kommt es dort tatsächlich zu Engpässen, muss die Politik über entsprechende Anreize nachdenken. Doch ob dieser Fall eintritt, ist fraglich - und sollte ungeachtet des Apotheker-Protests gelassen abgewartet werden. i.kreutz@volksfreund.de

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