Russland nun auch mit US-Präsident zufrieden

Moskau · Russlands politische Führung ließ im Vorfeld keine Zweifel an Trump als ihrem favorisierten Kandidaten aufkommen. Mit einem Sieg rechnete der Kreml jedoch nicht.

"Verehrte Kollegen, vor einer Sekunde hat Trump seine Rede als gewählter Präsident der USA begonnen, dazu möchte ich ihnen allen gratulieren", freute sich der Abgeordnete der Kremlpartei "Einiges Russland" Wjatscheslaw Nikonow. Die Dumaabgeordneten waren begeistert und spendeten kräftigen Beifall. Beseelt vom Sieg waren auch die Gäste eines englischen Pubs im Moskauer Zentrum, die die ganze Nacht ausgeharrt hatten. Die jüngeren russischen Besucher stammten aus dem Umfeld der nationalistischen Volksbefreiungsbewegung (NOD), die sich zu Putin bekennt. Mit dem Sieg Trumps ende für sie die Globalisierung, nun sei das Projekt Patriotismus weltweit wieder angesagt, meinte ein junger Mann erleichtert.

Präsident Wladimir Putin soll laut russischen Medien einer der ersten Staatschefs gewesen sein, die dem neuen US-Präsidenten gratulierten. Er hoffe, dass es ihnen gemeinsam gelingen werde, die russisch-amerikanischen Beziehungen aus der Krise zu holen, schrieb Putin in einem Glückwunschtelegramm. Vor übereilten Erwartungen warnte unterdessen Putins Pressesprecher Dmitri Peskow. Erst einmal müsse eine genaue Bestandsaufnahme der Beziehungen vorgenommen werden, sagte er.

Russlands politische Führung ließ im Vorfeld keine Zweifel an Trump als ihrem favorisierten Kandidaten aufkommen. Mit einem Sieg rechnete der Kreml jedoch nicht. Moskau wollte vor allem in den USA Unruhe und Chaos zu stiften, um demokratische Institute abzuwerten oder gar bloßzustellen. Aufmerksamkeit war Russland gewiss. Wenn die Wahl Trumps eins widerlegt, dann die Behauptung, Politikwechsel sei in den USA gegen das politische Establishment nicht möglich. Am Morgen nach der Wahl war von diesem Dauerbrenner nicht mehr die Rede. Stattdessen meldete sich der ultranationalistische Verbündete des Kreml Wladimir Schirinowski zu Wort: Überschwänglich lobte er den freien Willen, zu dem die Amerikaner erzogen würden. Mit Trumps Sieg wird Kritik vorübergehend hinfällig.

Schirinowski spricht aus, was der Kreml denkt, jedoch noch nicht zu sagen wagt. Diese Rolle ist ihm zugedacht. Auch Trumps Haltung zu einer abgespeckten Nato griff Schirinowski auf und verband das mit der Erwartung auf eine neue US-Außenpolitik. Auf der Welt dürfte es "für alle etwas ruhiger werden". Nur Vorteile seien zu erwarten. Sein Fazit: auch in Russland werde der Antiamerikanismus abnehmen.

Der Kreml dürft es dennoch etwas nüchterner sehen. Die außenpolitische Elite der Republikaner stammt aus Zeiten des Kalten Krieges. "Sie begegnen Russland mit großen Vorbehalten", meint Alexej Wenediktow, Chefredakteur des Senders Echo Moskau.

Wird Washington sich zurückziehen, Nato-Engagement zurückfahren und auf eine isolationistische Linie einschwenken? Rückzug aus der Weltpolitik und Nato-Demontage hätten für das Russland Wladimir Putins schwerwiegende Folgen. Der Antiamerikanismus ist Moskaus Staatsdoktrin und Leitidee, auf die das Volk eingeschworen wird. Desgleichen dient es als Überlebensmantra der politischen Führung, die sonst keine Alternative besitzt. Vor diesem Szenario ließe sich auch das militärische Einkreisungssyndrom nicht mal mehr als Chimäre aufrechterhalten.

Eine Alternative wäre nur denkbar, wenn sich Trump und Putin einigten, die Welt aufs Neue untereinander aufzuteilen. Putin könnte dann - zumindest für sein Volk - in die Rolle des Herrschers über ein Weltreich schlüpfen. Doch damit ist nicht zu rechnen. Weder dürfte der Handel in den USA unwidersprochen durchgehen, noch besteht die Welt heute nur aus willenlosen Vasallen. Auch wenn Donald Trump nicht genau wissen sollte, wo die Ukraine liegt, die republikanischen Außenpolitiker mit Sowjeterfahrung sind im Bilde. Auch hier wird es für Putin nicht einfacher werden.

Der Kreml gibt sich keinen Illusionen hin. Unerfahrenheit und Unvorhersehbarkeit des Neuen können ebenfalls Turbulenzen verursachen. Vor allem, "wenn Trump cooler sein möchte als Putin", meint der kremlnahe Beobachter Sergej Markow. Nicht ausgeschlossen ist, dass es nach einer freundlichen Ruhephase später zu heftigeren Kollisionen kommt.

Zumal Putin im Interesse des Macht- und Selbsterhalts auf ein gerüttelt Maß Feindseligkeit und Provokation nicht verzichten kann.

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