Säbelrasseln im Syrien-Konflikt

Washington · Stundenlang hat US-Präsident Barack Obama am Samstag mit 15 seiner engsten Mitarbeiter getagt. Das wichtigste Thema: Die militärischen Optionen, die das Pentagon in den vergangenen Tagen für ihn als Antwort auf den erneuten mutmaßlichen Giftgas-Einsatz durch die syrische Regierung nahe Damaskus ausgearbeitet hatte.

Washington. Die Verlautbarung Obamas ließ keine Zweifel daran, dass der Präsident erstmals seit Beginn des Bürgerkriegs in dem Nahost-Staat ernsthaft eine militärische Intervention in Betracht zieht. Zwar wurde nach der Sitzung keine Entscheidung verkündet. Doch die Formulierung im Fazit nach dem Treffen, man habe auch "Dutzende spontane Zeugenaussagen" und die Symptome der Getöteten in Betracht gezogen, könnte ein Hinweis darauf sein, dass Obama diesmal nicht unbedingt das Ergebnis einer offiziellen UN-Untersuchung abwarten will. In Washington geht man mittlerweile davon aus, dass regierungstreue Truppen des syrischen Präsidenten Assad für die Gas-Attacke verantwortlich sind, der nach Angaben von Rebellen und der Organisation Ärzte ohne Grenzen mehrere Hundert Menschen zum Opfer fielen.
Die US-Regierung teilt damit auch die Ansicht Frankreichs, das - wie Großbritannien und Israel - bereits nach Giftgaseinsätzen im vergangenen Jahr bei Ermittlungen nach den Schuldigen geheimdienstlich kooperiert hatte. Obama hatte 2012 den Einsatz von Massen-Vernichtungswaffen in Syrien als "Überschreiten einer roten Linie" charakterisiert. Obama beriet sich am Wochenende auch mit dem britischen Premier David Cameron. Das Wall Street Journal berichtete, die USA und ihre engsten Verbündeten hätten unter den syrischen Rebellen ein Informanten-Netzwerk aufgebaut, deren Mitarbeiter unter anderem auch Gewebe- und Haarproben von mutmaßlichen Opfern des Nervengases Sarin entnommen und an den Westen weitergeleitet hätten. Diese Informanten würden auch bei der Aufklärung von möglichen Angriffszielen helfen. Das Blatt meldete gleichzeitig, innerhalb der US-Regierung werde nun als wahrscheinlichste militärische Option ein Luftschlag mit Cruise Missile-Lenkwaffen von US-Zerstörern gegen syrische Militäreinrichtungen erwogen, der nach dem Vorbild des Eingreifens der NATO im Kosovo-Konflikt im Jahr 1999 stattfinden könnte. Damals hatten Nato-Bomber unter Führung der USA Ziele in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad bombardiert, obwohl die Vereinten Nationen dafür keine Zustimmung gegeben hatten. Eine offizielle Zustimmung des UN-Sicherheitsrats für einen Militärschlag gegen Syrien gilt angesichts der absehbaren Blockadehaltung von Russland und China als ausgeschlossen. Der Präsident könnte durch den bereits mehrfach erklärten kategorischen Verzicht auf Bodentruppen und durch den Einsatz unbemannter Cruise Missiles das Risiko für Militärangehörige gering halten. Aufgrund russischer Rüstungslieferungen vefügt Syrien über eine moderne Luftabwehr, die auch US-Kampfflugzeugen gefährlich werden kann.
Mit der Verlegung eines weiteren Lenkwaffen-Zerstörers ins Mittelmeer machte die US-Regierung jetzt auch optisch deutlich, welche Angriffsoption sie bevorzugen würde. Man sei bereit zum Eingreifen, so Verteidigungsminister Hagel am Sonntag.Meinung

Obamas Muskelspiele
Die USA lassen seit dem Wochenende im Mittelmeer militärisch die Muskeln spielen. Die Rhetorik von Barack Obama war dabei bisher eher zurückhaltend: Der US-Präsident, der durch die "rote Linie"-Drohung im vergangenen Jahr auch seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gestellt hat, suchte in seinen Aussagen vor allem nach Gründen, nicht aktiv werden zu müssen. Das Nahziel Obamas schien gestern nach einer Zusage Syriens erreicht: Zunächst einmal die UN-Inspektoren an den Ort der neuerlichen Gräueltaten zu bekommen.Was von den Untersuchungsergebnissen wie interpretiert wird, dürfte allerdings für weiteres diplomatisches Tauziehen sorgen. Doch was, wenn die USA und die wichtigsten Alliierten erneut und klar Assads Militärs als Schuldige sehen werden? Eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, die lediglich den Einsatz von Massen-Vernichtungswaffen verdammt, wäre wirkungslos. Wird es wirklich zu mehr kommen, und wird Obama so lange warten? Der US-Präsident hat deutlich gemacht, dass vor einem Eingreifen die Unterstützung der Alliierten und eigentlich auch die "juristische Legitimation" der hoch politisierten Vereinten Nationen stehen müssten. Auch Berlin würde sich wohl, wie damals in der Libyen-Frage, enthalten. Bundeskanzlerin Merkel hinkt allerdings mit ihrer Aussage, der Konflikt in Syrien sei nur politisch, aber militärisch nicht zu lösen, den Ereignissen vor Ort hinterher. Die Kriegsparteien stehen sich dort unversöhnlicher denn je gegenüber, eine politische Einigung scheint ausgeschlossen. Jetzt geht es vor allem in der internationalen Debatte um wirksame Abschreckung, um weitere Gräueltaten zu verhindern. nachrichten.red@volksfreund.deExtra

Marschflugkörper verfügen anders als ballistische Raketen über einen permanenten eigenen Antrieb. Sie werden in vorher definierte Ziele gelenkt. Die unbemannten Flugkörper mit einem Sprengkopf können nach dem Abfeuern ein programmiertes Ziel automatisch treffen. Sie können von Rampen und Radfahrzeugen ebenso gestartet werden wie von Schiffen, U-Booten oder Flugzeugen. Bei einer niedrigen Flughöhe von unter zweihundert Metern sind Marschflugkörper von gegnerischem Radar nur schwer zu orten. Die Reichweiten der von verschiedenen Staaten entwickelten Modelle liegen zwischen rund 30 und 3000 Kilometern. Damit überschneidet sich der Aktionsradius einiger Modelle mit dem ballistischer Mittelstreckenraketen (800 bis 5500 Kilometer). Der bekannteste Marschflugkörper der USA ist die BGM-109 "Tomahawk". dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort