Saniert und kundenlos

Berlin. Die letzte Preiserhöhung bei der Bahn ist noch gar nicht so lange her - im April drehten die Eisenbahner schon an der Schraube. Nun werden die Kunden zum Ende des Jahres erneut tiefer in die Tasche greifen müssen.

Die Bahn wird zum Fahrplanwechsel am 12. Dezember sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr neue Tarife einführen. Eine Maßnahme, mit der sich Bahnchef Hartmut Mehrdorn allerdings keine Freunde gemacht hat. Es hagelt massive Kritik am Kanzlerfreund. Das ist geplant: Im Fernverkehr nimmt das Unternehmen eine durchschnittliche Erhöhung von 3,1 Prozent vor. Kunden der 1. Klasse müssen sogar zwischen fünf und sechs Prozent mehr zahlen. Der Preis für die Bahncard 100 steigt um 250 Euro (2. Klasse) und 400 Euro (1. Klasse). Gestrichen wird überdies der Mitfahrerrabatt von 50 Prozent bei Normalpreisfahrkarten. Auch die Tickets im Regionalverkehr will die Bahn zwischen 3,3 und 3,9 Prozent teurer machen. Dem müssen allerdings die Länder zustimmen, aus denen gestern äußerst skeptische Signale kamen. Baden-Württemberg kündigte sogar bereits ein Nein an. Schon vor 14 Tagen hatte die Führungsetage der Bahn mit den Planungen für die neue Preisrunde begonnen. Am vergangenen Montag wurde dann das Konzept von Personenverkehrsvorstand Karl-Friedrich Rausch im Vorstand abgesegnet. Dem Vernehmen nach soll Mehdorn die Erhöhung trotz erheblicher Widerstände in dem Gremium durchgedrückt haben. Offiziell wird von der Bahn vor allem auf die gestiegenen Energiekosten verwiesen: Allein der Preis für Strom, so Rausch, sei seit Anfang 2003 um rund 30 Prozent angezogen. Hinzu kämen die höheren Kosten für Kohle und Öl. Die Bahn sei zudem der größte Ökosteuerzahler der Nation mit 200 Millionen Euro im Jahr. Billigflieger müssten hingegen weder Kerosin- noch Mehrwertsteuer zahlen. "Wir müssen die gestiegenen Kosten kompensieren, wollen aber auch mehr Reisende in die Züge bekommen", meinte Rausch. "Steigende Umsätze und steigende Passagierzahlen" blieben daher weiterhin das Ziel. Dass dies dem Unternehmen gelingen wird, daran hat die Politik jetzt erst Recht große Zweifel. Die neue Preisrunde sei die zweite Fehlentscheidung des Bahnvorstandes nach der missglückten Preisreform 2003 und dem folgenden Fahrgastschwund, so der Grünen-Verkehrsexperte Albert Schmidt. "Es bleibt der Eindruck, dass auf Biegen und Brechen die schwarze Null aus der Unternehmensbilanz gepresst werden soll, um einen raschen Börsengang zu begründen." Aus der SPD-Fraktion hieß es überdies, Mehdorn wolle den Börsengang übers Knie brechen, um möglichst schnell von der Politik unabhängiger zu werden. Der forsche Manager gilt allerdings als enger Vertrauter von Kanzler Schröder. Fest steht: Der Bahnchef will 2006 an die Börse, laut einem Gutachten hat das Unternehmen jedoch die Planzahlen im ersten Halbjahr 2004 in fast allen Sparten verfehlt. Mehdorn setzt deshalb auf einen noch härteren Sparkurs als bisher - und womöglich auch auf die Preiserhöhungen. Erst kürzlich hatte Umweltminister Trittin kritisiert: "Am Ende könnte eine finanziell sanierte Bahn stehen, der die Kunden davonlaufen."

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