Sarkozy stört Harmonie des Atomgipfels

Beim sogenannten Atomgipfel gab es vielfach Zustimmung zu Barack Obamas Bemühungen, die Atomarsenale weltweit abzubauen. Einzig der französische Präsident Nicolas Sarkozy will Frankreichs Sicherheit weiter mit Nuklearwaffen schützen.

Washington. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich bereits nach dem Abendessen zum Auftakt des Atomgipfels mit strahlender Miene und "sehr zufrieden". Nicht nur, dass sie ein ebenso gut gelaunter und optimistischer Barack Obama im Kongresszentrum mit zwei Wangenküssen begrüßt hatte und sie durch seinen Vize-Sicherheitsberater Ben Rhodes als "einer der engsten Partner" herausstellen ließ.

Denn noch bevor bei der Mega-Veranstaltung mit Vertretern aus 47 Ländern die Vorspeise serviert wurde, stand fest, dass es mehr als nur schöne Bilder und eine insgesamt positive Bilanz geben würde: Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch erklärte, sein Land wolle innerhalb von zwei Jahren alles hochangereicherte Uran abgeben und damit einen wichtigen Beitrag zur Atomsicherheit leisten. Obwohl noch unklar ist, wo die Endlagerung stattfinden wird, lobte Obama den "historischen Schritt". Auch zeigte sich Peking erneut bereit, die Möglichkeit neuer Iran-Sanktionen zumindest zu diskutieren und fand damit das Wohlwollen der Kanzlerin, die wie Obama auf UN-Ebene Druck machen will.

Wenig später folgte die erste Ernüchterung für den US-Präsidenten, dessen alles überlagernde Vision die globale Abschaffung aller Atomwaffen ist. Obwohl das Hauptthema des Gipfels der Kampf gegen den Nuklear-Terrorismus und die Sicherung nuklearer Bestände ist, nutzte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy den Termin zur Klarstellung seiner Atomdoktrin - und die kam vom Zeitpunkt her einem Affront gleich. Man unterstütze zwar grundsätzlich eine Reduzierung von Nuklearwaffen, doch habe sein Land in der Vergangenheit durch den Abbau des Atomarsenals um ein Drittel und die Einstellung der Nukleartests genug getan, sagte Sarkozy - weitere Abrüstungsschritte kämen mit Rücksicht auf die Sicherheit Frankreichs nicht infrage. Eine Aussage, die er nicht Obama direkt übermittelte, sondern durch ein Interview mit dem US-Fernsehsender CBS in die Welt setzte.Idee eines Nukleartribunals in Den Haag



Dieses provokative Vorgehen erinnert stark an den Auftritt Sarkozys im vergangenen Herbst in New York, als er bei der UN-Vollversammlung dem US-Präsidenten mangelnden Realismus im Umgang mit dem Iran vorwarf.

Wie steinig der Weg für Obama noch sein dürfte, wird auch durch die Möglichkeit eines neuen atomaren Wettrüstens deutlich, das sich zwischen Indien und Pakistan abzeichnet. Islamabad baut derzeit neue Reaktoren zur Herstellung moderner Nuklearwaffen und ist trotz intensiver Verhandlungen mit dem Weißen Haus nicht bereit, die Produktion von waffenfähigem spaltbaren Material einzustellen. Das von Obama propagierte Ziel im Entwurf der Abschlusserklärung, man müsse innerhalb von vier Jahren eine umfassende Kontrolle über alles Nuklearmaterial haben, ist allein deshalb schon gefährdet. Zudem sorgte eine Harvard-Studie im schwerbewachten Tagungszentrum für Aufregung. Pakistans Atomarsenal sei "immensen Bedrohungen" ausgesetzt und am meisten gefährdet, was Diebstahl angehe, analysierten jetzt Wissenschaftler der Elite-Uni.

Der Vorstoß von Bundeskanzlerin Merkel, die für die Entwicklung eines internationalen Rechtssystems plädierte, um Verstöße gegen Vereinbarungen zur Atomsicherheit abstrafen zu können, kam für Obama zur rechten Zeit. Der US-Präsident habe die deutsche Initiative gelobt, hieß es. Gleichzeitig mahnte Obama die Teilnehmer: Trotz des Endes des Kalten Krieges sei das Risiko einer nuklearen Attacke gestiegen, vor allem aufgrund des Strebens von Terrorgruppen nach der Atombombe. Der Welt drohe "eine Katastrophe". Deshalb müßten nun konkrete Schritte folgen.

Der ebenfalls vorgetragene Straf-Vorschlag der Kanzlerin geht Hand in Hand mit der auf dem Gipfel vorgetragenen Idee der Niederlande, ein sogenanntes Nukleartribunal in Den Haag einzurichten.

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