Schäuble wird nicht geschont

Seine Stimme ist weniger kräftig als sonst. Und der braune Anzug sitzt auch ziemlich locker. Dass Wolfgang Schäuble wegen einer Routineoperation dreieinhalb Wochen außer Gefecht gewesen ist, sieht man ihm an, als er im Bundestag zum Rednerpult rollt.

Berlin. Erstmals, seitdem sich der Bundesfinanzminister ein Implantat hat ersetzen lassen, tritt er wieder in Berlin auf. Er hat ausgerechnet in der Zeit gefehlt, als die Abgeordneten im Haushaltsausschuss seinen Etatentwurf 2010 zerpflückt haben. Um aber allen Spekulationen um seine Person gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, beginnt Schäuble seine Rede mit einer persönlichen Erklärung.

Es gibt nur noch wenige Politiker im Bundestag, bei denen es still wird, wenn sie das Wort ergreifen. Wolfgang Schäuble gehört dazu. Selbst auf der Regierungsbank werden die Akten beiseitegelegt, drehen sich die Köpfe zu ihm. Das mag mit Schäubles Leidensgeschichte in der Politik zu tun haben. Es sagt aber auch viel über seine Stellung in der Bundesregierung und im gesamten Parlamentsbetrieb aus. "Wir sind froh, dass er wieder an Bord ist", betont Unionsfraktionschef Volker Kauder gegenüber unserer Zeitung. Schäuble sei ein erfahrener Finanzpolitiker. "Er ist gerade jetzt, wo wir versuchen, die Wirtschaftskrise nachhaltig zu überwinden, für uns unverzichtbar."

Außerdem sei er ja nie wirklich "weg" gewesen, sondern habe auch vom Krankenbett aus seine Amtsgeschäfte so gut es ging erledigt. In Berlin war es der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU), der Schäuble in den vielen, zum Teil nächtelangen Sitzungen vertrat. Allerdings nahm er seine Aufgabe offenbar so ernst, dass Koalitionäre schon spotteten, er sei der "Regierende Staatssekretär".

Der Wundheilungsprozess dauere bei Querschnittsgelähmten länger, erklärt Schäuble den Parlamentariern. Er bittet um Nachsicht, die Ärzte hätten ihm noch Ruhe verordnet, weshalb er in den nächsten Tagen nicht so präsent sein könne, "wie dies angebracht ist". Von den Rednern der Opposition gibt es Genesungswünsche, das gebietet der Anstand. Doch geschont wird Schäuble bei den abschließenden Haushaltsberatungen für seinen Etat nicht. Immerhin sieht das Zahlenwerk eine Neuverschuldung von rund 80 Milliarden Euro und Ausgaben des Bundes im laufenden Jahr von 319,5 Milliarden Euro vor - 5,3 Prozent mehr als 2009.

"Wir sind in einer sehr kritischen Situation, und Sie machen nichts anderes als eine finanzpolitische Geisterfahrt", bemängelt der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider.

Grünen-Haushälter Alexander Bonde wirft Schäuble "Zauderei" beim Sparen vor. Dass die größten Einsparungen im überarbeiteten Entwurf nur durch eine wieder anziehende Konjunktur möglich geworden seien, sei "keine Schande", erwidert der Minister, sondern ein politischer Erfolg.

Er verspricht, die hohe Neuverschuldung in den nächsten Jahren "konsequent zurückzuführen". Das ist auch nötig. Denn ab 2011 muss Schäuble jährlich mindestens zehn Milliarden Euro einsparen, weil ab 2016 die grundgesetzliche Schuldenbremse greift.

Eine kräftezehrende Aufgabe wird das - wie und wo lässt die Regierung offen. An mehreren Stellen betont der Minister seine Übereinstimmung mit Kanzlerin Angela Merkel, das hat einen Grund: Unlängst war berichtet worden, dass es zwischen beiden ein Zerwürfnis wegen unterschiedlicher Auffassung zu einem Euro-Fonds gebe. Merkel nickt ihm nach seiner Rede anerkennend zu. Sie weiß: Unverzichtbar ist er auch für sie.

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