Scharfe Kritik an Trumps Reaktion

Charlottesville · Eine rechtsextreme Kundgebung artet in den USA in Gewalt aus, es gibt eine Tote und viele Verletzte.

Charlottesville Als es vorbei ist, steht Jackie Webber um Fassung ringend in der Fußgängerzone ihrer Stadt, Water Street, Ecke Fourth Street. In einem Buchladen um die Ecke liest John Grisham, ein prominenter Bewohner Charlottesvilles, des Öfteren aus seinen Thrillern. Straßencafés unter ausladenden Baumkronen vermitteln so etwas wie mediterranes Flair. Am Sonnabend aber blickt die Psychotherapeutin Jackie Webber ratlos auf eine Doppelreihe behelmter Nationalgardisten, Plastikschilde vor den Gesichtern, die vor einem gelben Band den Schauplatz eines Verbrechens abriegeln. Eines Terrorakts.
Nach einer im Zuge heftiger Ausschreitungen abgebrochenen Kundgebung rechtsextremer Fanatiker sind zwei Stunden vergangen, als ein Sportwagen, ein grauer Dodge Challenger, in eine Menschenmenge rast. Aktivisten von "Black Lives Matter", Kirchenleute, sympathisierende Passanten, sie alle waren jubelnd durch Charlottesville gezogen, um zu feiern, was sich wie ein klarer Sieg gegen die Neonazis anfühlte. "Whose Streets? Our Streets!", schallt es durch die Innenstadt. Auf Videos von Augenzeugen ist zu erkennen, was sich in dem Moment in der Fourth Street abspielt. Man sieht die verschwommenen Umrisse eines wie aus dem Nichts auftauchenden Autos. Körper, die durch die Luft geschleudert werden. Als Nächstes sieht man, wie der Dodge im Rückwärtsgang in die andere Richtung fährt, nachdem er zwei an einer Kreuzung wartende Autos gerammt hatte.
Eine 32-jährige Frau stirbt, 19 Menschen werden verletzt. Am Abend gibt die Polizei bekannt, wer am Lenkrad des Sportwagens saß: James Alex Fields, 20 Jahre alt, Sohn einer alleinerziehenden Mutter aus Maumee, einer Kleinstadt im Norden Ohios. Die Tatsache, dass die Rassisten das Weite suchen mussten, bevor sie ihre Reden halten konnten, wird über sein Motiv spekuliert, könnte ihn dazu bewogen haben, auf Rache zu sinnen.
Begonnen hatte es am Vormittag in einem kleinen Park im Zentrum der Stadt. Richard Spencer ist da, der Anführer der Alt-Right-Bewegung (siehe Info), die für Schlagzeilen sorgte, als sie den Wahlsieg Donald Trumps in einem Washingtoner Lokal mit Heil-Trump-Rufen feierte. Und David Duke, einst Imperial Wizard des Ku-Klux-Klan (Siehe Info) und Abgeordneter im Repräsentantenhaus Louisianas. Beide sind gekommen, um gegen den Abriss eines Denkmals zu protestieren, der Reiterfigur Robert E. Lees, eines von manchen Südstaatlern noch immer verehrten Bürgerkriegsgenerals. Dass die Statue weichen muss, ist seit Monaten beschlossene Sache, mit drei zu zwei Stimmen im Stadtrat entschieden. Spencer und Duke, ist schnell zu erkennen, geht es indes weniger um die Pflege vermeintlich bedrohten Südstaatenerbes, es geht ihnen um die Provokation. Auf den Treppen, die zu dem Park führen, sind ebenso wie auf den Hängen am Rande des Rasenvierecks Uniformierte mit Sturmgewehren aufgezogen. Keine Soldaten, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte, sondern Angehörige einer Miliz. Neben ihnen muskulöse Männer mit Eisenstangen, Zaunlatten, Baseballschlägern, Flammenwerfern. Bürgerrechtler ziehen mit Plakaten an ihnen vorbei. "Kein Schrein für weißes Überlegenheitsdenken!", ist auf einem zu lesen. "Ihr werdet uns nicht verdrängen! Die Juden werden uns nicht verdrängen!", schallen oben die Sprechchöre der Nazis, die am Abend zuvor mit brennenden Fackeln durch Charlottesville gezogen waren.
Irgendwann fliegen Wasserflaschen, dann Brandsätze, schließlich ist die Straßenkreuzung an der südöstlichen Ecke des Parks eingehüllt in Rauchwolken. Pfefferspray.
Die Neonazis liefern sich wilde Prügeleien mit ihren Gegnern, von Polizisten ist in dem Moment an der Kreuzung nichts mehr zu sehen. Die Polizei hat sich zurückgezogen. Erst nach 15 Minuten übernimmt sie das Heft des Handelns, indem sie die Versammlung für beendet erklärt und Spencer & Co. zwingt, das Gelände zu verlassen. In den Straßen ringsum wird weitergeprügelt, bis die Nationalgarde Virginias, eine militärische Einheit, aufmarschiert.
Bald darauf steht Spencer vor einigen Dutzend seiner Gefolgsleute auf einer Bank in einem Park am Stadtrand und versucht, den Spieß umzudrehen.
Während praktisch die gesamte politische Klasse, mit Ausnahme Donald Trumps, die Rassisten für die Randale verantwortlich macht, gibt Spencer das unschuldige Opfer. Nach ihm stellt sich Duke auf die Bank und spricht von Donald Trump. "Wir werden das Versprechen erfüllen, das Trump gegeben hat. Das Versprechen, unser Land zurückzuholen", ruft der frühere Ku-Klux-Klan-Chef.
In seinem Golfclub kommentiert Trump das Geschehen mit Worten, die vor allem durch ihre Zweideutigkeit, ihre Beliebigkeit auffallen. Er verurteile den unerhörten Ausbruch von Hass, Fanatismus und Gewalt, sagt er und fügt hinzu: "Auf vielen Seiten, auf vielen Seiten."
Terry McAuliffe, der Gouverneur Virginias, ein Demokrat, nimmt dagegen kein Blatt vor den Mund. Für die Überlegenheitsfanatiker und die Nazis, die in die Stadt gekommen seien, habe er eine schlichte Botschaft: "Geht nach Hause!"Extra: RASSISMUS UNTER WEIßEN KAPUZEN


(dpa) Der rassistische Ku-Klux-Klan wurde in seiner ursprünglichen Form 1865 im US-Bundesstaat Tennessee gegründet. Mit Morden an Afroamerikanern und Attentaten auf Politiker kämpfte der Geheimbund gegen die Abschaffung der Sklaverei. Bei nächtlichen Überfällen trugen Mitglieder weiße Kutten mit Kapuzen und verbreiteten mit brennenden Kreuzen Angst und Schrecken. 1882 wurde die Organisation für verfassungswidrig erklärt und aufgelöst. Sie wurde in den folgenden Jahrzehnten mehrfach neugegründet und wieder verboten. Nach Aufhebung der Rassentrennung in den 1960er Jahren erhielt der Klan wieder Zulauf. Bei Mordanschlägen und Bombenexplosionen seiner Aktivisten auf die schwarze Bürgerrechtsbewegung wurden mehrere Menschen getötet. Nach Schätzungen zählt der Ku-Klux-Klan heute bis zu 8000 Mitglieder.Extra: DIE ALT-RIGHT-BEWEGUNG IN DEN USA


(dpa) Der Name "Alt Right" in den USA ist eine Abkürzung der Website AlternativeRight.com und bedeutet in etwa "alternative Rechte". Die ultrarechte Bewegung zählt einige Tausend Anhänger. Sie ist offen rassistisch und bedient sich rechtsradikaler Ideologien. Die Alt-Right-Bewegung spricht von einer auch intellektuellen "Überlegenheit einer weißen Rasse", die sie gleichwohl von Nichtweißen bedroht sieht. Die Alt-Right-Bewegung sieht die USA von sogenannten Kulturfremden unterwandert. Das Weltbild ist auch antisemitisch. Unter dem in Amerika hochgehaltenen Schutz der Rede- und Meinungsfreiheit hat es immer auch rechtsradikale Gruppierungen und Ansichten gegeben, aber meist eher versprengt etwa in Milizen. Die Alt-Right-Bewegung sieht sich im gesellschaftlichen Klima unter US-Präsident Donald Trump im Aufwind.

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