Schau mir in die Augen, Kleines! - Datenschützer warnen vor Gesichtserkennung per Kamera

Trier/Mainz/Berlin · Kameras, die Gesichter erkennen? Wo Sicherheitsexperten im Land auf einen Durchbruch im Anti-Terror-Kampf hoffen, warnen Datenschützer. Mit Neugier gucken sie alle nach Berlin.

Geht es nach Umfragewerten, darf Bundesinnenminister Thomas de Maizière durchaus gut gelaunt sein. Da liegt die CDU seit Wochen deutlich vor der SPD. Geht es aber um andere Daten, steht der Minister derzeit unter Zugzwang. Nicht gelöschte Dateien des Bundeskriminalamts, die den Zugang von Journalisten zum G-20-Gipfel in Hamburg verhinderten, so lautet der eine Vorwurf ans Innenministerium. Der andere, es gebe noch viel mehr betroffene Bürger, deren Angaben der Staat rechtswidrig speichere. Und dann kommt noch ein Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz hinzu, wo Computer über sechs Monate die Aufnahmen von Testpersonen mit gespeicherten Gesichtern vergleichen.
Zu dem Projekt gibt es geteilte Meinungen: Der Minister erhofft sich einen "unglaublichen Sicherheitsgewinn für die Bevölkerung". Die vage Hoffnung: Kameras können künftig islamistische Gefährder erkennen, das System schlägt Alarm, Polizisten rücken aus - und verhindern im besten Fall einen Anschlag. Bewähre sich die Technik, könnte sie an weiteren gefährdeten Orten wie Bahnhöfen oder Flughäfen eingesetzt werden, teilt eine Ministeriumssprecherin mit.
Dieter Kugelmann, rheinland-pfälzischer Landesbeauftragter für Datenschutz, sagt hingegen: "Über diese Technik müssen wir streiten." Er warnt davor, dass die Gesichtserkennung auch für weniger edle Zwecke genutzt werden könnte, wenn sie erst einmal in der Welt sei. Das Anti-Terror-Argument nennt er "typisch", der Schutz persönlicher Daten von Passanten dürfe darunter aber nicht leiden. "Ich habe Sorge, ob der Deckel auf dem Topf bleibt", sagt Kugelmann.
Christian Soulier, Landesvorsitzender des Bundes der Kriminalbeamten, sieht die Gesichtserkennung gelassener. Der Trierer geht davon aus, dass Computer beim Einsatz nur die Videoaufnahmen mit dem Fahndungsbestand von Schwerkriminellen abgleichen. Gebe es keine Übereinstimmung, würden die Aufnahmen gelöscht. "Alle anderen Passanten können also unbeschwert durch die Stadt spazieren", meint er. Sollte die Technik klappen, hält Soulier es für sinnvoll, diese an wichtigen Knotenpunkten einzusetzen - wie an Bahnhöfen. Zwar zweifele er an, ob die Gesichtserkennung helfe, einen entschlossenen Attentäter zu stoppen. Aber sei ein Gefährder auf der Flucht, könnte die Technik ihn schneller aufspüren. Der LKW-Attentäter von Berlin habe so nach dem Anschlag Tausende Kilometer bis Italien fliehen können, ehe er dort erschossen wurde. "Mit einem solchen System wäre die Chance größer, ihn früher aufzuspüren." Gespannt ist auch die rheinland-pfälzische Politik. Das Innenministerium befürworte es, Erfahrungen zu sammeln, teilt Sprecher Steffen Wehner mit. Vorgesehen sei die Technik in Rheinland-Pfalz derzeit nicht. Aber: Die Gesichtserkennung wäre, sofern fehlerfrei anwendbar, ein zusätzliches Mittel zur Fahndung nach Straftätern und Störern, heißt es auch aus Mainz. Man beobachte die Erprobung vom Bund. Auch Justizminister Herbert Mertin (FDP) will den Test abwarten. Ob die Technik später eingesetzt werden dürfe, hängt seiner Ansicht nach daran, wo, wie, wann und unter welchen Voraussetzungen. Rechtlich kritisch sieht er anlasslose, flächendeckende Fahndungen - und dauerhafte Überwachungen des Grenzverkehrs.
Bis sich Sicherheitsexperten, Juristen und Datenschützer aber wirklich über eine bundesweite Gesichtserkennung streiten können, dürfte noch viel Wasser die Mosel hinabfließen. Das System müsse ebenso zeigen, wie es Testteilnehmer im Hellen und Dunklen erkenne, mit Mütze oder ohne, sagt de Maizière. Denn: Ein ähnlicher Feldversuch war 2007 in Mainz gescheitert. Damals lag die Trefferquote nur noch bei bis zu 20 Prozent, sobald es dämmerte. Zu wenig für das System, um bundesweit zum Einsatz zu kommen.

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