Schaulaufen für die Kandidatur als Kanzler: Na, wie war ich?

"Wie war ich, Doris?" hieß eine Comedy-Show über den nicht eben uneitlen Kanzler Gerhard Schröder. Um den nächsten sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten gab es beim SPD-Parteitag in Berlin ein kleines Schaulaufen der drei möglichen Bewerber. Hier die TV-Kurzbewertung der Reden.

Wie war ich, Elke? Frank-Walter Steinmeier sprach am Sonntag kurz nach Altkanzler Helmut Schmidt, ein klares Handicap. Und dann noch zum gleichen Thema, Europa. Steinmeier rettete sich, indem er geschickt mehrfach auf Schmidt Bezug nahm, außerdem noch auf Willy Brandt. Und indem er eine Art Marktplatzrede hielt. Wo Schmidt ganz leise und mahnend gesprochen hatte (5.30 Minuten stehender Applaus), war Steinmeier laut und dröhnend. Er attackierte die politische Konkurrenz fast schon wie ein Wahlkämpfer. Seine Vorschläge zur Euro-Rettung waren konkret und demonstrieren Macherqualitäten. Witz und gute Laune vermittelte er nicht. Stark: Die variantenreiche Gestik des Kandidaten. Der Körper sprach mit, gut fürs Fernsehen. Auch das seriöse Erscheinungsbild, die silbergrauen Haare, die eckige dunkle Brille, der schwarze Anzug, kommen auf dem Bildschirm rüber. Schwach: Die Stimme war kaum moduliert, immer gleich gepresst, im Unterton schon heiser vom Schreien. 60 Minuten hielten die Delegierten das aus, nur 1.40 Minuten lang war der (stehend absolvierte) Schlussbeifall.
Wie war ich, Anke? Sigmar Gabriel war von der ersten Minute an Chef im Ring. Ein echter Saalredner und großer Polemiker. Aber geht das auch draußen? Immer der gleiche Rhythmus: Erst eine leise, nachdenkliche Passage und dann in wenigen Schritten plötzlich ein, zwei offensive, laut gesprochene Sätze, die einen kleinen Beifallssturm auslösen. Schnelle Wechsel zwischen Parteipropaganda, historischen Rückblicken und Gegenwartsbetrachtungen. Immer der gleiche rhetorische Trick: Einfache Gegensatzpaare und Wortspielereien. "Merkel spricht von marktkonformer Demokratie. Ich sage nein. Wir wollen den demokratiekonformen Markt." Oder: "Die FDP hat kein Lieferproblem. Sie hat ein Produktionsproblem."
Viel Medienschelte und viel Streicheln des sozialdemokratischen Stolzes. Gabriel ist der Womanizer (Herzensbrecher) der widerspenstigen SPD, einer der sie erobern kann, weil er Selbstironie, Offenheit und Verletzlichkeit zeigt. Und viel Liebe für seine Partei. Außerdem ist der Mann nah am Wasser gebaut. Zum Schluss kamen ihm fast die Tränen über die eigenen Worte, als er an die große SPD-Geschichte erinnerte. Rührend. 90 Minuten Rede, 4.30 Minuten stehender Beifall.
Wie war ich, Gertrud? Peer Steinbrück hielt die kürzeste Rede, 40 Minuten. Sprang zwischen den Themen hin und her. Offenbar dachte er, dass er Gabriel bei diesem Parteitag sowieso nicht mehr übertrumpfen könne, also sparte er sich Schmeicheleien. Hielt die ehrlichste Rede. Schenkte der eigenen Partei einige unangenehme Wahrheiten ein und kritisierte auf offener Bühne sogar den Vorsitzenden. Pragmatismus sei nicht nur kalt (wie Gabriel gesagt hatte) sondern habe auch sittliche Motive, meinte Steinbrück. Eine offene Kriegserklärung? Nein, dass er Klartext redet, ist sein Image, und dem wurde er gerecht.
Rhetorisch der stärkste Redner, hat alles drauf, von Ernst bis Ironie, von Pathos bis Spott. Laut, leise, böse, heiter. Löste mehrfach Lacher und kleine Beifallsstürme aus, wenn er über die Regierung herzog. Ein echter Situationskomiker. Als die Lautsprecher plötzlich brummten, sagte er: "Das ist die CDU. Die hört ganz genau zu." Konnte seine legendäre Eitelkeit aber nicht verbergen. Peinlich, wie er Helmut Schmidt zum Thema Banken zitierte und ergänzte: "Ich selbst habe dazu auch schon publiziert." Das hat er nicht nötig. 2.20 Minuten Beifall, nicht alle standen dabei auf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort