Schaulaufen im Bundestag

Angela Merkel hatte ihr Redemanuskript schon weitgehend abgearbeitet, als im Bundestag erstmals eine gewisse Heiterkeit aufkam. Europäische Integration, alles gut und wichtig. Aber natürlich müsse man auch darauf achten, "was besser in Berlin, Schwerin - oder Mainz entschieden" werden könne, sagte die Kanzlerin.

Berlin. Das zielte auf Kurt Beck. Der rheinland-pfälzische Ministierpräsident und SPD-Chef saß auf der Bundesratsbank und machte sich Notizen. Merkel genoss die kleine Anspielung, um hernach mit Unschuldsmiene zu ergänzen: "Ich hätte auch München sagen können." Damit herrschte wieder Waffengleichheit - neben Kurt Beck saß Bayerns CSU-Ministerpräsident Günther Beckstein. Normalerweise sind solche Szenen kaum eine Notiz wert. Doch bei der gestrigen Europa-Debatte lagen die Dinge anders. Schon zu Wochenbeginn stand fest, dass die Genossen der strahlenden Kanzlerin die europäische Bühne nicht allein überlassen würden. Der Fraktionsvorstand hatte angeregt, Beck ins Rede-Duell zu schicken. So von Kanzlerin zu Kanzlerkandidat. Das sicherte hohe Aufmerksamkeit, barg aber auch manches Risiko. Nicht nur, dass es sich um Becks ersten Bundestagsauftritt handelte, seit er SPD-Chef ist. Der Mainzer zählt auch zu den weniger begnadeten Rhetorikern. Obendrein steht er unter Erfolgsdruck. Gerade einmal zwölf Prozent der Deutschen können sich für ihn als Kanzler erwärmen. Bei Merkel sind es fünfmal so viel, wie Demoskopen ermittelten. Beck erledigte seine Sache gut. Während Merkel wolkig die "politische Gestaltung der Globalisierung" anmahnte, stellte der Obergenosse nüchtern fest: "Es fehlt an Europa ein ganz entscheidender Teil - nämlich das soziale Europa". Wie in den meisten EU-Staaten müsse auch in Deutschland das Prinzip "Guter Lohn für gute Arbeit" gelten. Ein subtiler Hinweis auf das sozialdemokratische Herzensanliegen eines flächendeckenden Mindestlohns. Aber er wusste auch Merkels Anspielung auf seine Herkunft aus der Provinz zu parieren: Seine Landeshauptstadt sei gut gewählt, denn als 1832 beim Hambacher Fest in der Pfalz bereits der europäische Gedanke aufkam, habe man in Bayern noch Truppen gegen solche Ideen aktiviert.

Das galt Günther Beckstein. Becks Stichelei konterte er: Zur Zeit des Hambacher Fests sei die "die Pfalz noch ein stolzer Teil des Freistaats Bayern" gewesen. Darüber amüsierten sich die Abgeordneten. Als ein SPD-Parlamentarier Beckstein belehrte, dass Bayern damals Königreich gewesen sei, erwiderte der: "Im Königreich wurde die Pfalz nur als Provinz angesehen."

Extra Der EU-Vertrag: Stell dir vor, 27 Leute quasseln durcheinander. Das totale Chaos! Die 27 Länder der Europäischen Union wollen aber oft mit einer Stimme sprechen und gemeinsam handeln. Darum haben sie neue Regeln für ihre Zusammenarbeit aufgestellt: im Vertrag von Lissabon. Der heißt so, weil er in Portugals Hauptstadt Lissabon beschlossen wurde. Er soll helfen, dass die Zusammenarbeit in der EU einfacher geht. In den Ländern der EU leben mehr als 500 Millionen Menschen. Deutschland gehört dazu. Einige wichtige Neuerungen: In Zukunft soll der oberste Chef der EU - der EU-Ratspräsident - für zweieinhalb Jahre im Amt sein. Er wird dann ein wichtiges Gesicht der EU nach außen sein. Bisher hatten sich die EU-Länder auf diesem Posten jedes halbe Jahr abgewechselt. Die EU bekommt eine Art Außenminister. Die Regeln für Abstimmungen sind neu. Damit sollen Probleme schneller gelöst werden.

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