Scherbenhaufen Irak

Hunderttausende sind am Wochenende erneut in den USA, aber auch außerhalb Amerikas für ein schnelles Ende des Irak-Kriegs auf die Straße gegangen. Sie sehen etwas, vor dem das Weiße Haus weiter beharrlich - zumindest öffentlich - die Augen verschließt: ein Land, in dem Bürgerkrieg herrscht.

In dem Extremisten aus der islamischen Welt ein dankbares Betätigungsfeld gefunden haben, und in dem das US-Militärengagement mit einem Wort beschrieben werden kann: Hilflosigkeit. Das wichtigste Ziel von einst - der Aufbau einer Muster-Demokratie für den arabischen Raum - ist in Washington längst zu den Akten gelegt. Jetzt lautet der Minimalanspruch nur noch: eine Ausweitung von Anarchie, Chaos und ethnisch motivierten Massenmorden verhindern. Vier Jahre nach seinem Beginn hat der Krieg, vom früheren UN-Chef Kofi Annan richtigerweise als "völkerrechtswidrig" gebrandmarkt, einen unübersehbaren gigantischen Scherbenhaufen hinterlassen. Ob es den USA gelingt, diesen aufzukehren, ist unwahrscheinlich. Zwar loben die irakische Regierung und amerikanische Militärs die derzeitige "Sicherheitsoffensive", doch das klingt eher wie ein Pfeifen im dunklen Wald. Dass manche Nachbarschaft in Bagdad ruhiger erscheint als sonst, liegt nach Ansicht einiger Generäle vor allem daran, dass sich Aufständische wie auch El-Kaida-Sympathisanten in Erwartung der Reinigungs-Aktionen vorübergehend in die sichere Provinz zurückgezogen haben. Gleichzeitig fordern Hightech-Bomben, deren Technologie mit ziemlicher Sicherheit aus dem Ausland stammen muss, weiter einen hohen Blutzoll. Doch außer Beschimpfungen hat ein erster Kontakt zwischen amerikanischen und iranischen Vertretern kürzlich in New York nichts gebracht. Weiter fehlt ein diplomatischer Lösungsansatz unter Einschluss aller am Geschehen im Zweistromland interessierten Nachbarn. Dieses Vakuum sehen in den USA auch die nach den Kongresswahlen gestärkten Demokraten. Doch ein wirklich überzeugender Widerstand gegen die Fortsetzung dieses verlorenen Krieges ist bis heute innerhalb der Opposition ausgeblieben. Warum? Viele Demokraten hatten - im erregten politischen Klima nach den 9/11-Attacken - George W. Bush damals ihr Plazet für den Waffengang gegeben. Präsidentschaftskandidaten wie Hillary Clinton versuchen deshalb heute verzweifelt einen Argumentations-Spagat - und versagen bis jetzt bei einer überfälligen parlamentarischen Aufarbeitung der Invasion. nachrichten.red@volksfreund.de

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