Schilys Ärger mit "Cicero"

Berlin. Otto Schily gilt als politisches Pfund der sozialdemokratischen Ministerriege. Gerne würde der Innenminister seinen Job auch in einer Großen Koalition weitermachen. Doch nun steht der 73-Jährige in der Kritik.

Der Ex-Anwalt mit dem grauen Cäsaren-Haarschnitt ist womöglich tiefer in eine Affäre verwickelt als gedacht. Am 12. September hatte die Polizei die Redaktionsräume von "Cicero" durchsucht, einer Monats-Zeitschrift für politische Kultur. Auch die Wohnung von "Cicero"-Autor Bruno Schirra wurde gefilzt.Hintergrund sind Ermittlungen gegen Schirra und Wolfgang Weimar, dem Chefredakteur des Blattes, wegen des Verdachts der Beihilfe zum Geheimnisverrat. In der April-Ausgabe von "Cicero" hatte Autor Schirra nämlich in einem Artikel über den Terroristenführer Abu-Mussab al-Sarkawi aus geheimen Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) fleißig zitiert. Basis für den Artikel war offenbar ein 125 Seiten dickes BKA-Dossier zum Fall des weltweit gesuchten jordanischen Al-Qaida-Terroristen. Das Papier war als "streng vertraulich" deklariert, wie es heißt.

Nachdem die Strafverfolgungsbehörden aber keinen Erfolg damit hatten, die höchst ärgerliche "undichte Stelle" in BKA oder Innenministerium aufzuspüren, die vielleicht das Material an den Journalisten herausgegeben hatte, kam es zu der heftig umstrittenen Groß-Razzia gegen "Cicero". 15 Kisten Material wurden bei der Durchsuchung der Redaktion mitgenommen. Chefredakteur Weimer zu unserer Zeitung: "Wir haben gegen die Beschlagnahme Einspruch beim Amtsgericht Potsdam erhoben. Leider ist immer noch nichts entschieden." Für Aufsehen hatte auch eine Rede Schilys gesorgt, der auf dem Zeitungsverlegerkongress Anfang vergangener Woche allgemeine Beschuldigungen gegen die Presse erhoben und zum Erstaunen der Anwesenden das Vorgehen gegen die "Cicero"-Redaktion ausdrücklich verteidigt hatte. "Wir lassen uns nicht das Recht des Staates nehmen, seine Gesetze durchzusetzen." Man werde "wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat" Journalisten strafrechtlich verfolgen lassen, die sich geheime Papiere wie eine Trophäe anstecken".

Parteiübergreifend stoßen das Vorgehen des BKA und die heiklen Äußerungen Schilys inzwischen auf massive Kritik. Der Innenausschuss des Bundestages wird sich am Donnerstag mit der Aktion befassen. Der Innenminister wird dann befragt, und er wird aussagen müssen. Die Liberalen begründen ihr Vorgehen damit, dass im Fall "Cicero" "grundsätzliche Fragen der Pressefreiheit" berührt seien. Die Unions-Innenexperten Hartmut Koschnyk und Reinhard Grindel sehen "einen ernst zu nehmenden Eingriff in die Pressefreiheit". Selbst der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach sich für die Sondersitzung aus, da das Vorgehen der Behörden "unverhältnismäßig" erscheine. Am Freitag legten FDP, Linkspartei und Grüne nach: Sie schließen nicht aus, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird. Grünen-Innenexpertin Silke Stokar: "Schily hat die Verfassung gebrochen."

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