Schlag den Sack, meine den Esel

FDP-Chef Guido Westerwelle hat sich beim Parteitag der Liberalen auf die Linkspartei eingeschossen. WASG und PDS würden für einen Linksruck in Deutschland sorgen, kritisierte er in seiner Grundsatzrede. Doch auch SPD und CDU blieben von Westerwelles Rundum-Kritik der politischen Gegner nicht verschont.

Stuttgart. Richtig sauer war Guido Westerwelle auf die Linken gewesen. Denn obwohl die FDP ihren Parteitag in Stuttgart lange vorher für dieses Wochenende angemeldet hatte, kamen auf einmal WASG und PDS auf die Idee, in Berlin ebenfalls einen Parteitag zu veranstalten. Die Linken hatten damit die Regel gebrochen, dass man sich gegenseitig medial nicht Konkurrenz macht. Dann aber erkannte der Oberliberale in dem Fauxpas plötzlich eine Chance. "Das ist vielleicht ganz symbolträchtig."

Das Parallelereignis gab dem FDP-Chef nämlich die Vorlage für seine gestrige Grundsatzrede: "Wir dürfen nicht zulassen, dass die geistige Achse der Republik nach links verschoben wird", so seine Hauptaussage. Damit hatte er einen offensiven Ansatz gefunden. Ein Weckmittel für eine Partei, die recht zufrieden damit ist, dass sie derzeit in den Umfragen bei zehn Prozent liegt. Und zugleich auch einen Ersatz für die bisherige Angriffslinie der FDP, wonach die Mehrwertsteuererhöhung den Aufschwung abwürgen werde. Bekanntlich ist das nicht eingetreten. Westerwelle schlachtete das Linksruck-Thema also weidlich aus. Die 660 Delegierten waren einigermaßen begeistert und revanchierten sich mit einem Wiederwahl-Ergebnis von 87,6 Prozent, sieben Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren.

"Sozialdemokratisierung" der Union

Scharf ging Westerwelle mit den Postkommunisten ins Gericht, gipfelnd in dem Satz, dass der Begriff "demokratischer Sozialismus" so sei wie "vegetarischer Schlachthof". Sozialisten hätten immer zuerst die Wirtschaft verstaatlicht und dann das Denken. Doch nach dem Motto "Schlag den Sack, mein den Esel" ging der 46-Jährige weiter. Das eigentliche Problem sei der Einfluss der Linken auf die anderen Parteien. Bei der SPD sei dieser "Druck von links" in der Sozialpolitik zu spüren, bei den Grünen in der Ablehnung der Globalisierung. "Und auch die Union fällt als Gegengewicht aus."In Angela Merkels Partei erkannte Westerwelle gar eine fortschreitende "Sozialdemokratisierung".

Der FDP-Vorsitzende warf der großen Koalition Reformstillstand und "skurrile Symbolpolitik" vor, etwa beim nationalen Ernährungsprogramm. Deutschland dürfe sich auf der guten Konjunktur nicht ausruhen, sonst werde die nächste Krise "doppelt hart" werden. In der Gesellschaft machten sich "falsche Feindbilder" breit, beklagte Westerwelle. So gegen die grüne Gentechnik, gegen die Stammzellenforschung oder gegen die Atomenergie. Das Wort neoliberal werde zu Unrecht diffamiert.

Dem Parteitag liegen Anträge vor, die auf stärkere Eigenverantwortung der Versicherten und auf kapitalgedeckte Systeme setzen. Seinen Renteneintritt soll jeder Bürger, so ein Leitantrag, ab 60 selbst bestimmen können, mit Abschlägen, aber auch mit der Möglichkeit, Geld hinzuzuverdienen. Zudem soll der Kündigungsschutz gelockert werden. Am Sonntag wollen die Delegierten darüber entscheiden. Kontrovers dürfte auch über Abschaffung oder Reform der Erbschaftssteuer diskutiert werden.

Koalitionsabsichten spielen nach Westerwelles Aussage bei den Debatten keine Rolle. Die FDP sei eigenständig, sagte er. "Es ist mir egal, ob sich Angela Merkel über unsere Beschlüsse freut oder ärgert, oder Kurt Beck. Wirklich egal."