Schluss mit "Wünsch dir was!"

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klaffen oft breite Gräben. Diese Erfahrung machen derzeit die Verhandlungsführer von Union und FDP im Zuge ihrer Koalitionsgespräche. Immerhin: Wünsche sollen sich einer Prioritätenliste unterordnen.

Berlin. Bei der ersten Bilanz der Koalitionsverhandlungen klatschte Angela Merkel nach dem Essen zweimal kräftig in die Hände: "Es geht weiter!", rief sie den Teilnehmern von CDU, CSU und FDP zu. Union und Liberale drücken nach wie vor aufs Tempo, beim Thema "Finanzen und Steuern" ganz besonders.

Immer mehr kostspielige Wünsche aus den Arbeitsgruppen werden derzeit in die Öffentlichkeit lanciert. Dem hat die große Koalitionsrunde gestern nach vierstündiger Verhandlung ein "Finanztableau bis zum Jahre 2013" entgegengesetzt.

Dieses Tableau verheißt nichts Gutes: Union und FDP gehen von einem Finanzloch von rund 34 Milliarden Euro aus, wenn es bei der Wachstumsprognose von minus 5,3 Prozent bleibt. Sollten die Prognosen für das laufende und das kommende Jahr besser ausfallen, dann könne der Konsolidierungsbedarf auch bei 29 Milliarden Euro liegen. Nun sei für die Arbeitsgruppen "der Rahmen, in dem finanziell verhandelt werden kann, festgelegt", befand CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Um es einfacher zu formulieren: Schluss mit "Wünsch dir was!", die Arbeitsgruppen werden zur Mäßigung aufgerufen. Da ist Ärger programmiert. Zumal die Arbeit in den "AGs" zuweilen schwieriger verläuft, als die künftigen Bündnispartner vorgeben: Nicht nur zwischen Unionsparteien und FDP, sondern offenbar tun sich immer häufiger auch Gräben zwischen CDU und CSU auf, wie es selbst aus der Union heißt.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel meinte nach der Koalitionsrunde, die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen seien "von allen Seiten akzeptiert" worden. Sie zeigten aber auch, dass es Spielraum "für die notwendigen Steuersenkungen gebe". Angesichts des Milliardenlochs und der immensen Neuverschuldung kommentierte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers: "Jetzt hilft nur noch Wachstum." Dem Vernehmen nach wollen sich Union und FDP in den kommenden Jahren auf Steuerentlastungen und Investitionen in die Bildung konzentrieren. Dritter Schwerpunkt bleibt die Konsolidierung des Haushalts.

Alle Ausgabenwünsche müssten sich diesen vereinbarten Prioritäten unterordnen, hieß es. "Damit zeichnet sich in etwa das Markenzeichen der künftigen Koalition ab", so CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt: "Entlastung, Konsolidierung, Zukunftsinvestitionen."

Auch das Motto des Koalitionsvertrags scheint zudem klar zu sein: "Wachstum und Soziale Sicherung" soll angeblich über dem Papier stehen. Wie und wo konsolidiert werden soll, ist indes noch völlig offen. Insider berichteten, dass man sich darüber einig gewesen sei, vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai keine tiefgreifenden Maßnahmen angehen zu wollen. In welchem Umfang zudem Steuerentlastungen möglich sind, steht ebenso noch nicht fest. Zur Diskussion steht mehr Kindergeld, da sei man "relativ dicht beieinander", so FDP-Wirtschaftsexperte Rainer Brüderle. Außerdem wird über höhere Kinderfreibeträge nachgedacht. Überlegt wird, den steuerlichen Grundfreibetrag für Kinder von 6024 auf einheitlich 8004 Euro für jedes Familienmitglied anzuheben. Änderungen bei den Steuertarifen der Einkommensteuer sowie Erleichterungen für Unternehmen und bei der Erbschaftssteuer sind ebenfalls im Gespräch. Einigkeit herrscht indes, dass künftig allein die Bundesbank und nicht auch noch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen die Bankenaufsicht verantworten soll. Eine Maßnahme, die allerdings nichts kostet.

extra Kinderfreibetrag, Kindergeld und die Kosten: Union und FDP erwägen, Familien finanziell stärker zu entlasten. Im Gespräch ist eine Anhebung des Kinderfreibetrags von derzeit jährlich 6024 auf 8004 Euro - eventuell schon von Januar an. Das würde für alle Staatskassen drei Milliarden Euro pro Jahr kosten. Nun mehren sich Stimmen, auch das Kindergeld anzuheben. Aber schon eine Erhöhung um jeweils 35 Euro im Monat würde weitere 7,5 Milliarden Euro verschlingen. Aus Sicht der Haushalts- und Finanzexperten der künftigen schwarz-gelben Koalition würde schon dies kaum bezahlbar sein. Um zu starke Verzerrungen und einen zu großen Abstand zwischen Besserverdienern und niedrigeren Einkommen zu vermeiden, müsste das Kindergeld sogar um 80 Euro im Monat angehoben werden, sollte der Kinderfreibetrag um rund 2000 Euro höher ausfallen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort