Schmarotzer, Amigos und ein Investor, der keiner war

Der Finanzminister gestrauchelt, der Regierungs-Chef in Not: Die Nürburgring-Affäre mit der gescheiterten Privat-Finanzierung und den offenbar zwielichtigen Geschäftspartnern wird umfassend aufgerollt.

Mainz. Auf Tage wie diesen kann Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sicherlich gut verzichten. Noch während er am Freitag in der Sondersitzung des Landtags die Vorzüge preist, die der millionenschwere Ausbau des Nürburgrings bieten soll, macht eine überraschende Nachricht die Runde. Der amerikanische Milliardär Pierre DuPont V. hat gegenüber dem SWR schriftlich erklärt: "Alle Behauptungen, dass ich Anleger oder potenzieller Anleger bin oder einmal war, sind völlig falsch und unbegründet." Es war Beck, der den Namen des Großindustriellen - von Spöttern "der gute Onkel aus Amerika" genannt - vor drei Tagen vor Journalisten verraten hat.

Der angebliche US-Investor ist also keiner. Der vermeintlich seriöse Schweizer Kaufmann Urs Barandun verwendet offenbar gern ungedeckte Schecks oder falsche Dokumente und saß in Dubai in Untersuchungshaft. Der Geschäftsmann Michael Merten, der Erfinder des "pfiffigen" Finanzmodells, hat anscheinend den Staatsanwalt am Hals. Mit anderen Worten: Das Konstrukt stand von Anfang an auf tönernen Füßen.

Da passt es ins Bild, dass sich der Regierungs-Chef selbst korrigieren muss: Hat er vor wenigen Tagen noch gesagt, dass die RIM GmbH, eine Tochter der Investitions- und Strukturbank, anstelle des klammen "Investors" Kai Richter und dessen Motorsport Resort Nürburgring GmbH für 80 Millionen Euro Hotels sowie das Eifeldorf "Grüne Hölle", einen Ferienpark und ein Personalhaus zu Ende baut, sind es am Freitag im Landtag plötzlich 85 Millionen Euro.

Kurt Beck versichert, die 95 Millionen Euro aus Landesmitteln, die seit März auf einem Bardepot in der Schweiz liegen, seien komplett und verzinst auf der Rückreise. Ob der Schweizer Barandun, auf dessen Betreiben das Depot angelegt wurde, irgendetwas mit dessen Hilfe anfangen konnte, weiß in der Staatskanzlei niemand.

Opposition will Licht ins Dunkel bringen



"Es gibt keinen Hinweis dar-auf", sagt Regierungssprecher Walter Schumacher. Insider mutmaßen, Barandun könnte Kredite aufgenommen haben, für die das Land eventuell haften müsse. "Wenn Barandun das Bardepot nicht nutzen konnte, hätte es gar keinen Sinn gehabt", sagt der Eifeler CDU-Abgeordnete Michael Billen.

Die vielen Ungereimtheiten um das Projekt "Nürburgring 2009" lassen CDU-Chef Christian Baldauf zur Attacke blasen: "Herr Ministerpräsident, Sie stecken in Erklärungsnöten. Wir glauben Ihnen nichts mehr." Es sei Aufgabe der Opposition, Licht ins Dunkel zu bringen. FDP-Fraktions-Chef Herbert Mertin spricht von "möglichen anderen Verantwortlichen" als dem zurückgetretenen Finanzminister Ingolf Deubel. Die Geschäftsführung der Nürburgring GmbH habe etwa "den vermeintlichen Investor" Kai Richter angeschleppt, "der vom Land schmarotzt". Es müsse auch gefragt werden, was der Aufsichtsrat unternommen habe, um Deubel zu stoppen.

Die CDU wird mit Unterstützung der FDP nach der Sommerpause einen Untersuchungs-Ausschuss einsetzen. "Der ist längst überfällig und könnte gleich ein Rettungspaket für das Projekt Nürburgring schnüren", ätzt die Landessprecherin der außerparlamentarischen Grünen, Eveline Lemke. "Wir müssen aufklären, welche Amigos wie am Werk waren."

Auf eine Frage wird der Ausschuss mit Sicherheit eine Antwort suchen: Was wusste der Ministerpräsident zu welchem Zeitpunkt? Die Staatskanzlei fährt offensichtlich die Strategie, alles dem gestolperten Finanzminister anzuhängen. Deubel habe im Kabinett "anlassbezogen unterrichtet", sagt Beck. Etwaige Zweifel seien von ihm stets ausgeräumt worden. Beck hat aber eingeräumt, schon länger von den Umtrieben des Schweizers Barandun gewusst zu haben. Aufhorchen lässt eine Aussage der Vize-Regierungssprecherin Monika Fuhr, es sei "öfter in kleiner Runde" über den Ring gesprochen worden. Wer dieser Runde angehörte, verrät Fuhr nicht.

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