Schmerzhafte Zäsur

Für die deutschen Städte, in denen derzeit noch US-Militärangehörige stationiert sind, kommt heute die Stunde der Wahrheit: US-Präsident George W. Bush will in einer Rede vor Veteranen erstmals offiziell bekannt geben, was Pentagon-Mitarbeiter kürzlich deutschen Politikern vertraulich mitgeteilt haben und was auch unsere Zeitung bereits im vergangenen Jahr kurz nach Ausbruch des Irak-Kriegs erfahren hatte: Bei der Neustrukturierung der amerikanischen Truppen im Ausland wird Deutschland am stärksten betroffensein.

Zunächst will, so ist zu hören, Bush die Präsenz der GI zwischen Flensburg und Passau von 70 000 auf rund 35 000 Soldaten halbieren, doch langfristig könnten es gerade einmal 10 000 US-Militärangehörige sein, die im einst wichtigsten europäischen Partnerland bleiben. Dass dies für die Standorte erhebliche wirtschaftliche Folgen haben wird, liegt auf der Hand. Diese schmerzhafte Zäsur wird in Washington zwar wortreich mit "mehr Beweglichkeit" und dem angeblichen "Zwang zu kleineren Einheiten" erklärt, doch die politische Komponente eines derart drastischen Schrittes ist unübersehbar. Wer nicht hören will, muss fühlen - jene Ostblockländer wie Bulgarien oder Ungarn, die dem Weißen Haus im Krieg gegen den Terror und vor allem beim Irak-Feldzug widerspruchslos den Rücken gestärkt haben, profitieren von den Umschichtungen, während das von US-Verteidigungsminister Rumsfeld so gescholtene "alte Europa" die Zeche zahlen muss. Unbeachtet bleibt dabei von Bush allerdings, dass die Bundesregierung nicht nur die Nutzung der US-Militärbasen während der Irak-Invasion ohne Restriktionen ermöglicht hat, sondern auch mit erheblichem Personalaufwand sichern ließ. Doch Bush weiß, dass er beim derzeitigen innenpolitischen Klima und kurz vor der Wahl mit einer Truppen-Rückkehr punkten kann - selbst wenn ein solcher Schritt langfristig auch die Frage nach der Funktionsfähigkeit der Nato aufwerfen dürfte. nachrichten.red@volksfreund.de

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