Schneeschipp-Vorschlag ist eine Schnaps-Idee

Mit seiner Idee, Langzeitarbeitslose zum Schneeschippen heranzuziehen, hat Guido Westerwelle lediglich ausgesprochen, was es schon längst gibt. Entsprechend vernichtend fiel gestern das Urteil von Politikern und Experten über den FDP-Chef aus. Seine Partei kündigte unterdessen an, in Kürze ein Positionspapier zur Reform des Sozialstaates vorzulegen.

Berlin. In den Berliner Arbeitsagenturen herrscht große Verwunderung über den Westerwelle-Vorstoß, Arbeitslose in der von SPD und Linken regierten Hauptstadt bei der Schneeräumung einzusetzen. Nach Auskunft von Pressesprecher Uwe Mählmann ist das nämlich schon seit rund zwei Jahrzehnten gängige Praxis. Aktuell habe die Berliner Straßenreinigung (BSR) 1160 Kräfte von der Arbeitsagentur dafür angefordert. Wegen der eisigen Witterung seien später noch 650 Kräfte nachgefordert worden. "Wir haben überhaupt kein Problem, dafür Leute zu finden", versicherte Mählmann gegenüber unserer Zeitung.

650 Leute gesucht - 1650 bewerben sich



Interessenten würden sich von selbst melden. Allein für die 650 Nachmeldungen gab es 1650 Bewerber. Angesichts einer Vergütung von rund 50 Euro am Tag kann das auch wenig verwundern. Auf diese Weise sei mancher sogar aus dem Hartz-IV-Bezugssystem herausgekommen, so Mählmann. Theoretisch könnten solche Arbeiten auch durch Ein-Euro-Jobber erledigt werden. Allerdings nur dann, wenn sich dafür keine reguläre Firma bereit findet. So will es das Gesetz. Für die Winterräumung gibt es jedoch zahlreiche Firmen, die dazu vorübergehend auch Arbeitslose einstellen. Westerwelles Forderung läuft damit ins Leere. Schlimmer noch: Im Moment sind seine angemahnten Jobs futsch, weil es in Berlin kräftig taut.

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte, dass es geltende Rechtslage sei, Hartz-IV-Empfänger zu gemeinnützigen Tätigkeiten heranzuziehen und bei Verweigerung die Bezüge zu kürzen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm schlug in die gleiche Kerbe: "Es gibt einen umfangreichen Katalog an Sanktionsmöglichkeiten." Bei der ersten Pflichtverletzung würden die Bezüge um 30, bei der zweiten um 60 Prozent gekürzt. Danach falle die Unterstützung weg. Bei Erwerbslosen unter 25 Jahren geschehe dies sofort, wenn sie eine zumutbare Arbeit ablehnten. In den einzelnen Bundesländern werde davon allerdings unterschiedlich Gebrauch gemacht, schränkte Wilhelm ein.

Für den Chef des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hat Westerwelles Idee "einen politisch folkloristischen Beigeschmack". Die arbeitsmarktpolitischen Probleme ließen damit nicht lösen.

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