Schnöde Wut und schöne Worte

WASHINGTON. "Bringt sie jetzt nach Hause!" Angesichts der Anschläge und Verluste im Irak gehen Eltern von US-Soldaten auf die Barrikaden.

Seine Stimme bebte, und Fernando del Solar rang um Fassung, als er vor Journalisten von seinem im Irak getöteten Sohn Jesus - einem Marine-Infanteristen - berichtete. "Er war ein guter Mensch und wird nicht zu uns zurückkommen. Aber wir wollen, dass andere Eltern ihre Kinder wiedersehen." Deshalb müsse das US-Militärengagement im Irak jetzt beendet werden. Wie dieser Vater, dessen Sohn im März bei einem Feuergefecht fiel, denken mittlerweile zahlreiche Angehörige von Soldaten. Sie haben sich in einer Gruppe organisiert, die unter der Devise "Bring them home now" ("Bringt sie jetzt nach Hause") den Politikern Druck machen will - und die sich mit ihrem Slogan bewusst an einer Äußerung des US-Präsidenten orientiert, die auf teilweise scharfe Kritik gestoßen war. "Bring them on" ("Lasst sie nur kommen") hatte George W. Bush auf die Frage nach zunehmenden Guerilla-Angriffen im Irak geantwortet. Seit er die wesentlichem Kampfhandlungen am 1. Mai dieses Jahres für abgeschlossen erklärte, fielen mehr als 60 US-Soldaten feindlichen Attacken zum Opfer. Auch der gestrige Autobomben-Anschlag auf die von US-Soldaten bewachte UN-Zentrale in Bagdad dürfte den aktiv gewordenen Familienangehörigen weiteren Zulauf bescheren. "600 Mitglieder und wachsend" bezeichneten sie jetzt den Umfang ihrer Protest-Gruppe. "Unsere Söhne und Töchter sind Besatzer in einer feindlich gesinnten Nation", sagt Susan Schuman, deren Sohn Justin im Irak dient. Sie und andere Eltern fürchten, dass der Einsatz zur Stabilisierung des Landes niemals enden wird. "Wenn ein Ende der Gewalt als Voraussetzung für einen Truppenabzug angesetzt wird, werden wir nie gehen", vermutet Michael McPherson, ein ehemaliger Artillerie-Offizier. Im US-Verteidigungsministerium bemüht man sich auffällig um Verständnis für die Sorgen der Soldateneltern. Gleichzeitig verweist man darauf, dass jetzt im Irak stationierte Militärs spätestens nach einem Jahr an anderer Stelle eingesetzt werden sollen. Doch für Väter wie Stan Goff, einen früheren Elite-Soldaten, sind dies alles nur schöne Worte. "Bush und Rumsfeld sorgen sich um unsere Truppen soviel wie ein Geflügelprodukte-Konzern um seine Hühner", sagt Goff, dessen Sohn Jessie derzeit im Irak dient. Goff fühlt sich wie andere Eltern in seiner Haltung bestärkt, seit Umfragen kürzlich ergaben, dass 45 Prozent der Amerikaner Zweifel am Sinn einer weiteren Präsenz der rund 150 000 amerikanischen Militärangehörigen im Irak haben.

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