Schock für Eltern

TRIER. Die Zahlen sind dramatisch: 250 000 Deutsche unter 25 Jahren sind dem kürzlich veröffentlichten "Jahrbuch Sucht" zufolge alkoholgefährdet. Woran erkennen Eltern, ob ihr Kind betroffen ist? Und wie sollen sie sich bei einem solchen Verdacht verhalten? Darüber sprach der TV mit Experten.

Für fast alle Eltern ist es ein Schock: Der pubertierende Herr Sohn oder das halbwüchsige Fräulein Tochter kommt sturzbetrunken nach Hause. Kein Grund zur Panik, beruhigen Experten. "Es gehört zum Erwachsen-Werden dazu, dass man Grenzen auslotet", sagt Uwe Konz, Beauftragter für Jugendsachen bei der Polizeidirektion Trier. "Junge Leute müssen Gelegenheit haben, Erfahrungen zu machen. Wenn ein Kind komplett abgeschirmt wird, scheitert es bei der erstenGefahr." Eins ist im Umgang mit jungen Alkoholsündern tabu: Moralpredigten. Der erhobene Zeigefinger bewirke genau das Gegenteil des Erhofften, sagen die Experten: Er erhöhe den Reiz. Viel besser sei ein ruhiges Gespräch, in dem man dem Kind die Konsequenzen aufzeige. "Das darf kein Verhör sein, Anklagen und Schuldzuweisungen sollte man vermeiden", sagt Roland Carius, Jugendschutzbeauftragter für die Kreise Trier-Saarburg und Bitburg-Prüm. Die Fachleute warnen vor einem weiteren Fehler: Alkohol zu verteufeln. "Er gehört zu unserer Kultur, er ist ein Genussmittel", sagt Jutta Diewald vom Wittlicher Haus der Jugend. "Man muss lernen, maßvoll damit umzugehen." Ab etwa 16 Jahren solle der Nachwuchs ruhig mal auf einer Familienfeier ein Glas Sekt oder Bier mittrinken dürfen. Stabiles Selbstwertgefühl schützt vor Sucht

Wann aber wird der Alkoholkonsum Jugendlicher zum Problem? "Wenn das Kind nur noch auf Tour ist, Schule und Hobbys vernachlässigt, sollte man nachhören", sagt Diewald. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, die 2003 zum Schwerpunktjahr "Jugend und Sucht" erklärt hat, ergänzt die Liste der Alarmsignale: Unlust, Verschlossenheit, auffällige Verhaltensänderungen, soziale Schwierigkeiten, aggressives Verhalten, Rückzugstendenzen. Einen Typus zu beschreiben, der zu exzessivem Alkoholkonsum neigt, ist schwierig. "Generell kann man vielleicht sagen, dass viele, die wenig Selbstbewusstsein haben und denen es schwer fällt, auf Leute zuzugehen, besonders anfällig sind", erklärt Diewald. Durch exzessiven Alkoholkonsum stellen sich Jugendliche in den Mittelpunkt und erhoffen sich dadurch mehr Gewicht und Ansehen in der Clique. Die besten Mittel gegen eine Abhängigkeit sind der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zufolge deshalb ein stabiles Selbstwertgefühl, ein gesundes Selbstvertrauen, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit. Und wenn es doch zu Alkoholmissbrauch kommt? "Dann sollten Eltern gucken, warum das Kind trinkt", rät Carius. "Oft stecken Probleme in der Schule, mit der Freundin oder dem Freund dahinter." Der Jugendschutzbeauftragte empfiehlt Eltern, ihren Kindern Argumente an die Hand zu geben, wie sie Gruppendruck widerstehen können, und Abmachungen mit ihnen zu treffen, wie viel sie auf der Party trinken dürfen. Doch Eltern spielen nicht nur als Gesprächspartner eine wichtige Rolle, sondern auch als Vorbilder. Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München hat herausgefunden, dass die Gefahr, süchtig zu werden, um das Vier- bis Achtfache steigt, wenn ein Elternteil von Alkohol oder einer anderen Droge abhängig ist. "Man muss sich nur mal angucken, wie Erwachsene auf dem Oktoberfest, der Säubrennerkirmes oder bei Weinfesten mit Alkohol umgehen", sagt Diewald, und Carius ergänzt: "Die Erwachsenen machen es vor ­ und Jugendliche fühlen sich dann cool, wenn sie trinken." Wenn Eltern an ihr trinkendes Kind nicht herankommen, ist professionelle Hilfe angesagt.Entsprechende Ansprechpartner sind beispielsweise der Trierer Verein "Die Tür" (Telefon 0651/9911022) oder die Caritas-Suchtberatungstelle Trier (Telefon 0651/1477820). Doch auch in vielen anderen Orten der Region gibt es Hilfe. Einen Überblick bietet eine Broschüre des regionalen Arbeitskreises Suchtprävention, die bei Roland Carius unter Telefon 0651/715-389 bestellt werden kann. Für Eltern und Erzieher bietet die Suchtberatungsstelle der Caritas am Freitag, 7. Februar, 16 Uhr, ein Seminar an. Anmeldungen werden vormittags unter der genannten Telefonnummer entgegengenommen.

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