Schon im flachen Wasser wird's gefährlich

Gillenfeld · Wasser zieht Kinder magisch an. Doch wie sie reagieren müssen, wenn sie in Notsitautionen geraten, das wissen immer weniger Menschen. Rettungsschwimmer sind zunehmend gefragt.

 Bettina Schäfer (links), Vorsitzende der DLRG in Gillenfeld, und Katja Thullen haben wachsame Augen auf das Pulvermaar. TV-Foto: Sven Eisenkrämer

Bettina Schäfer (links), Vorsitzende der DLRG in Gillenfeld, und Katja Thullen haben wachsame Augen auf das Pulvermaar. TV-Foto: Sven Eisenkrämer

Gillenfeld. Bettina Schäfer steht auf dem Gelände des Naturbads am Pulvermaar bei Gillenfeld (Kreis Vulkaneifel) an ihrer gewohnten Stelle. Sie hat einen guten Rundumblick auf Liegewiese, Nichtschwimmerbecken und Maar. Die Rettungsschwimmerin beobachtet den See im Vulkankrater mit seinen 19 Grad kalten Wasser genau. Hunderte Menschen tummeln sich in dem kühlen Nass.

Mit ihrem geschulten Auge bemerkt Schäfer auf der Treppe ins Maar eine ältere Frau und ein kleines Kind - die Großmutter geht mit ihrem Enkel gerade ins Wasser. Sofort erkennt Schäfer, dass der Kleine noch kein geübter Schwimmer ist. Er soll zu der Sprungplattform, die etwa 15 bis 20 Meter vom Ufer entfernt liegt, und wieder zurückschwimmen, deutet die Großmutter an.

Dem Kind fällt es während des Schwimmens immer schwerer, den Kopf dauerhaft über Wasser zu halten. Und plötzlich muss es ganz schnell gehen: Schäfer sprigt ins kalte Wasser direkt zu dem Kind und holt den Kleinen aus dem Wasser - unter heftigem Protest der Großmutter. Ihr Enkel könne schwimmen, er müsse nur noch etwas üben. Er habe ja auch schon das Seepferdchen.

"Wenn ein Kind den Kopf schon so krampfhaft nach oben streckt, dann ist das für mich ein eindeutiges Zeichen, dass man eingreifen muss", erklärt Schäfer. Die ältere Dame zeigt sich alles andere als einsichtig. Das Seepferdchen-Abzeichen bedeute laut Schäfer zwar, dass das Kind in einem Kurs grundsätzlich gelernt habe, sich im Wasser zu bewegen, das müsse aber noch längst nicht heißen, dass das Kind 30 oder 40 Meter weit im mehrere Meter tiefen und vor allem kalten Gewässer schwimmen könne.
DLRG führt Wartelisten


Die Rettungsschwimmerin und Vorsitzende der Gillenfelder Ortsgruppe der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) ist diesmal eingeschritten, bevor es für das Kind wirklich gefährlich wurde. Dass am gleichen Tag, nur eine Autostunde entfernt, im saarländischen Losheim am See ein 16-Jähriger ertrinken wird, weil er nicht richtig schwimmen kann, ahnen weder Schäfer noch die beleidigte Großmutter.
Hier am Pulvermaar konnten die Rettungsschwimmer bisher Schlimmeres verhindern. "Wir lassen es meist nicht dazu kommen, dass wir einschreiten müssen. Wir versuchen, potenziell gefährliche Situationen früh zu erkennen."

In Gillenfeld scheint es nicht das große Problem zu sein, dass gerade Kinder nicht richtig schwimmen können. "Dort, wo es Möglichkeiten gibt, schwimmen zu lernen, da können es die meisten auch", sagt Schäfer. Aus dem Ort gäbe es sehr viele Kinder, die bei ihrem Verein schwimmen lernen, sich danach sogar gerne zum Rettungsschwimmer ausbilden ließen. 80 bis 100 Kinder und Jugendliche seien jeden Donnerstag bei Kursen der DLRG Gillenfeld dabei. Die Eltern seien froh, dass ihre Kinder die Möglichkeit hätten, und es kämen trotz des Rückgangs der Geburtenzahlen immer mehr Eltern, um ihre Kinder anzumelden. "Wir haben sogar schon Wartelisten, einige Kurse sind einfach voll", sagt Schäfer.

Aber sie kennt auch die andere Seite: Schäfer ist Grundschullehrerin und weiß, wie schwer es ist, über den Sportunterricht den Kindern die Möglichkeit zu bieten, schwimmen zu lernen. Einerseits fehlten an sehr vielen Schulen die Lehrer, andereseits mangele es an Möglichkeiten. "Überall werden immer mehr Schwimmbäder geschlossen oder sollen geschlossen werden. Wenn die Schulen dann erst etliche Kilometer zum nächsten Bad fahren müssen, kostet das erstens viel Zeit und zweitens viel Geld für den Schulträger."
Meistens ist dieser Schulträger ja eben die Kommune, die aufgrund ihrer Haushaltslage Schwimmbäder schließen will oder muss.

"Wasser zieht Kinder magisch an, das sehen wir hier am Maar jeden Tag", sagt Schäfer. "Selbst wenn die Kinder nicht schwimmen können, rennen gerade die Kleinen immer sofort drauf zu." Die Rettungsschwimmerin weiß, dass schon eine Wassertiefe von 30 Zentimetern ausreicht, um zu ertrinken. Die Grundvoraussetzung müsse also sein, dass Kinder möglichst früh lernen, sich im Wasser richtig zu bewegen. Sie dürften keine Angst vor Wasser haben, müssten aber seine Risiken kennen. Und ganz nebenbei mache es ja auch noch Riesenspaß, im Schwimmbad herumzutollen und zu plantschen.

Schäfer appelliert vor allem an die Politik: "Schwimmbäder müssen erhalten bleiben, und jeder muss die Möglichkeit haben, schwimmen zu lernen."Meinung

Schwimmbäder braucht das Land
Wenn Kinder nicht schwimmen können, ist das zum einen sehr gefährlich, zum anderen aber vor allem auch schade. Die Freizeit im Schwimmbad oder am nächsten See zu verbringen, macht nicht nur jede Menge Spaß, das Ganze fällt schließlich auch unter sportliche Betätigung. Und das tut Kindern, denen Studien ja immer wieder Bewegungsdefizite bescheinigen, gut. Schwimmbäder zu schließen oder deren Sanierung auf Eis zu legen, ist sowieso eine unpopuläre Art der Kommunen, Geld zu sparen, das macht kein Politiker gern. Aber den Kindern damit die Möglichkeit zu nehmen, das Schwimmen zu erlernen, ist mehr als unpopulär, es ist unverantwortlich. Genauso unverantwortlich ist es vonseiten des Landes, wenn den Schulen personell die Möglichkeit genommen wird, Schwimmunterricht anzubieten. Denn wie das Land selbst in seinem Lehrplan für Schulen schon sagt: Bewegung im Wasser hat einen hohen gesundheitlichen Wert, und schwimmen zu können ist ein wichtiger Beitrag zur Gefahrenprävention. Das sind Probleme, die der Bürger nicht lösen kann. Sie müssen an höheren politischen Stellen angegangen werden. Und zwar nicht erst, wenn es auf dem Land keine Schwimmbäder mehr gibt, in denen geschwommen werden kann. s.eisenkrä mer@volksfreund.de

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