Schrille Töne unerwünscht

TRIER. Wahlkampf-Analyse mal ganz anders: Der Trierische Volksfreund bat 30 Schülerinnen aus verschiedenen Sozialkunde-Kursen des Angela-Merici-Gymnasiums, die Wahlkämpfer Kurt Beck und Christoph Böhr bei ihren Groß-Auftritten in der Trierer Europahalle unter die Lupe zu nehmen. Was die Schülerinnen im Alter von 16 bis 18 Jahren beobachteten, ist spannender als manch tiefschürfende Interpretation von Journalisten oder Wahlforschern.

Zwei Abende haben sie sich Zeit genommen, die Schülerinnen der 10., 11. und 12. Klasse mit ihren Lehrern Melitta Wallenborn und Jürgen Bonertz. Zwei mal zwei Stunden Wahlkampf pur, für viele die erste Konfrontation mit dieser Form der Parteienwerbung, andere haben im Herbst bei den Kundgebungen zur Bundestagswahl schon "reingeschnuppert". Die gute Nachricht: Als Zeitverschwendung hat niemand die Auftritte von Beck, Böhr & Co. empfunden. Im Gegenteil: Die Veranstaltungen von CDU und SPD haben jede Menge Diskussionsstoff geliefert für die Nachbetrachtung im Klassenraum des Angela-Merici-Gymnasiums. Die vorgesehenen eineinhalb Stunden vergehen wie im Flug - zumindest für die, die mitreden wollen. Die politischen Einstellungen in der Gruppe sind wahrscheinlich so breit gestreut wie unter der rheinland-pfälzischen Wählerschaft. Und doch lässt sich in ein paar Fragen schnell Konsens herstellen. Zum Beispiel, dass die Schülerinnen Polemik und laute Töne in den Wahlreden überhaupt nicht ausstehen können. Hauptzielscheibe der Kritik in diesem Punkt ist Christoph Böhr. "Ich hätte dem gerne gesagt, er soll sich mal locker machen", sagt Carmen. Allseitiges Nicken in der Runde. "Man fühlt sich persönlich angegriffen, obwohl man gar nichts damit zu tun hat", wirft Nadine ein. "Der hat die anderen nur schlecht gemacht", ergänzt Lara. Angela Merkel habe inhaltlich oft das Gleiche ausgesagt, "aber wesentlich sachlicher und besser begründet". Die Opposition habe es naturgemäß "nötig, deutlicher auf die Pauke zu hauen", wendet Julia ein. Zudem habe sich auch Beck über die CDU lustig gemacht. Kritik sei ja auch in Ordnung, antwortet Carmen, "aber nicht in beleidigender und aggressiver Form". Landesvater Beck erntet da überwiegend bessere Noten. "Freundlicher und humorvoller" komme er rüber, sagt Linda. Dass er viel von sich persönlich eingebracht hat, kommt querbeet bei den Schülerinnen gut an. Da seien "eigene Gedanken, Erfahrungen und Gefühle" spürbar gewesen, lobt Isabella. Sogar von seiner Jugend auf dem Bauernhof habe der Ministerpräsident erzählt.Ortskenntnisse kommen gut an

Ebenfalls ein Pluspunkt für Beck: Viele Detail-Informationen über Trier. "Der Böhr hätte seine Rede genau so in Kaiserslautern halten können", vermutet Nina. Dass der Ministerpräsident sich getraut hat, selbst als Hauptredner aufzutreten und damit die deutlich größere Redezeit hatte, wird allseits als mutig und positiv angesehen. "Vielleicht hat die CDU gedacht, der Böhr kommt nicht so gut an, dann verstecken wir ihn hinter Frau Merkel", mutmaßt Lara. Die Kanzlerin selbst erhält übrigens überwiegend gute Noten. Kritik an beiden Seiten gibt es für die übertriebene Darstellung der Situation im Lande. Dass "der eine so tut, als wäre Rheinland-Pfalz das tollste Land der Welt" und der andere "alles runtermacht", kommt gleichermaßen schlecht an. Zumal die Schülerinnen einhellig festgestellt haben, dass in der Sache "gar nicht so große Unterschiede sind". Die wollten "eigentlich alle das Gleiche, nur manchmal auf unterschiedlichen Wegen": Dieser Satz erhält breite Zustimmung. Bürokratie-Abbau, Ganztagsschule, Kindergartengebühren, Mittelstandförderung - da seien sich doch Böhr und Beck im Grunde einig, so formuliert es eine für viele. Ganz genau hingehört haben die angehenden Abiturientinnen beim Thema Studiengebühren. "Böhr war dagegen, Merkel dafür, das ist doch unglaubwürdig", moniert Nadine. "Ich weiß gar nicht mehr , was die CDU jetzt wirklich will", ergänzt Maike. Was die Glaubwürdigkeit angeht, attestieren die Schülerinnen beiden Kandidaten gewisse Probleme. Vor allem, dass sie "so tun, als hätten sie schon gewonnen", kommt ganz schlecht an. Mangelnde Konsequenz kreidet Kristina Christoph Böhr an: "Was hat es für einen Sinn, zu fordern, dass nur noch Kinder in die Schule dürfen, die Deutsch können, wenn man nicht sagt, wie sie es lernen sollen?" Aber auch der Ministerpräsident überzeugt nicht immer: "Der Beck verspricht, das Personal in den Kindergärten besser zu schulen, aber in der Praxis passiert wenig", kritisiert Susanne. Mal irritiert, mal amüsiert reagieren die Schülerinnen auf klassische Partei-Rituale. Die Anrede "Genossinnen und Genossen" bei der SPD empfinden sie als lächerlich, das Abspielen der Nationalhymne bei der CDU überwiegend als unpassend. Dass die Partei-Matadoren oft mehr für die eigene Mitgliedschaft reden als für die "normalen" Wähler, ist allerdings auch kein Zufall. Denn all zu viel bewegen lässt sich mit solchen Wahlkampf-Veranstaltungen wohl nicht. Einige der AMG-Schülerinnen dürfen am Sonntag schon wählen. Ob denn die Reden der Kandidaten ihre Entscheidung beeinflusst hätten? Kollektives Kopfschütteln. Man fühle sich in der bisherigen Präferenz eher bestätigt. Aber wählen gehen werden die, die so eifrig mitdiskutiert haben, auf jeden Fall. Ganz nutzlos ist der Wahlkampf also doch nicht.

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