Schwäbische Hausfrau aus Mecklenburg-Vorpommern

Ihr bislang zweitbestes Ergebnis: Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ist auf dem Parteitag in Stuttgart als Parteichefin wiedergewählt worden. Die Bundeskanzlerin geht damit gestärkt in das Superwahljahr 2009.

Stuttgart. Das neue Ebenbild der "schwäbischen Hausfrau" trägt einen schwarzen Hosenanzug. Die Föhnfrisur sitzt wie immer perfekt, die Halskette ist dezent und klassisch gewählt. Sie steht vor einer riesigen Wand in einem Blau, das an die Untiefen eines wilden Ozeans erinnert - die Zeiten sind ja auch stürmisch. Ihr Name: Angela Merkel, Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende. Am Ende ihrer gut einstündigen, weitgehend emotionsfreien Rede, fällt dieser Frau das Lächeln doch sichtlich schwer, sie bewegt sich ohne Schwung auf der so grell orangenen CDU-Bühne. Es werden für sie fünf lange Minuten, die die Delegierten des Parteitages in Stuttgart pflichtgemäß applaudieren. Und man weiß danach, welche Mühsal "schwäbische Hausfrauen" offenbar schultern müssen.

Die Parteivorsitzende hat diesen neuen Prototyp für ihr politisches Handeln aus der Kiste gezaubert. "Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben", hätte diese ominöse Hausfrau geantwortet, wenn sie denn in der Finanzkrise nach ihrem Rat gefragt worden wäre. "Genau das ist es, liebe Freunde, so einfach ist das", ruft Merkel den Delegierten zu. Stimmt, so einfach kann Politik sein. Manchmal. Derzeit aber eben nicht. Das spürt man auf dem Parteitag.

Die Konjunktur ist dank der Finanzkrise in den tiefen Keller gerauscht, andere Länder reagieren weitaus aktiver und umfassender darauf als Merkels Bundesregierung. Während die Unionsführung aber nach dem Prinzip "Ruhe bewahren" verfährt, grummelt es unter den Delegierten. Nun weiß man: In ihrer langen Geschichte hat die CDU schon immer stramm gestanden, wenn der Kanzler die Richtung vorgegeben hat, und sei es auch eine ungeliebte gewesen. Diesmal ist es wieder so: Im Steuersenkungsstreit sind die Landesverbände und die großspurigen Lautsprecher von raschen Entlastungen am Vorabend des Parteitages durch Merkel und ihre Getreuen ordentlich eingenordet worden. Demonstrativ hat Merkel über ihren Kurs im Vorstand abstimmen lassen, es gibt nur eine Enthaltung. Die meisten Möchtegern-Steuersenker schweigen nun auf dem Parteitag. Die Unzufriedenheit mit der Chefin entlädt sich deshalb anders: Als Merkel sagt, man brauche "den Mut, auch einmal gegen den Strom zu schwimmen", wird nur ganz mäßig geklatscht. Das passiert ihr ungewohnt häufig während der Ansprache. Der Wahlverein funktioniert zwar, Merkel erhält überzeugende 94 Prozent der Stimmen, aber er verteilt eben auf seine Art auch Spitzen. CDU-General Ronald Pofalla bekommt dies ebenso zu spüren: Mit ihm sind viele unzufrieden, keine Hand rührt sich, als er Steuersenkungen für die nächste Legislaturperiode ankündigt. Pofalla kann froh sein, dass er erst 2010 wieder zur Wahl steht.

Merkels Rede taugt jedoch auch nicht zu Begeisterungsstürmen: Als Friedrich Merz spricht und schon ab 2009 eine Steuerreform zur Bekämpfung der kalten Progression fordert, bekommen viele Delegierte glänzende Augen. Die CDU-Chefin hält sich indes eng an ihr Manuskript, sie geht wie so oft kein Risiko ein. Vieles ist nicht neu, man hat es so oder anders schon gehört. Eine Perspektive, gar eine Vision für das Krisenjahr 2009? Fehlanzeige. Mutmachen gehört ohnehin nicht zu Merkels Instrumentenkasten, dafür aber die kühle Analyse. Die Deutschen könnten sich auf ihre Regierung verlassen, betont sie, "auch in solchen Zeiten haben wir Verantwortung vor dem Steuerzahler". Am "Überbietungswettbewerb" neuer Milliarden-Vorschläge werde sie sich nicht beteiligen, gleichwohl aber Anfang Januar über die Notwendigkeit weiterer Konjunkturhilfen beraten. Energisch wird Merkel nur, als sie über den Klimaschutz spricht - die Klimakanzlerin sorgt sich um ihr im vorigen Jahr sorgsam aufgebautes Image.

Stimmung bei den 1000 Delegierten kommt auf, als Merkel mit markigen Sätzen das linke Feindbild bedient: "Wir fallen nicht auf euch herein, ihr Spitzbuben. Oder soll ich besser sagen, ihr Spitzelbuben?", attackiert sie die Linke als SED-Nachfolgepartei. SPD und Linkspartei hätten in Hessen vorgemacht, "was Deutschland im nächsten Jahr blühen kann: Erst werden die Wähler angelogen, und dann soll ein linksroter Durchmarsch kommen", greift Merkel an. Doch was blüht dem Land mit der CDU? Die "schwäbische Hausfrau" aus Mecklenburg-Vorpommern auf alle Fälle.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort